Die Neoliberalen sind unter uns
Peter Hesse
21.05.05
Der 1. Teil dieses Berichts ist mit Blickrichtung auf die Thüringer geschrieben, die das, was hier beschrieben wird, miterlebt haben und alles genau kennen. Er kann für alle anderen als Milieustudie dienen, nicht so sehr über die neuen Länder, als über das Klima in der WASG.
Ist Klaus Ernst ein guter SPD-Mann oder wirklich ein Spinner, der denkt, man könne die 70-er Jahre zurückholen? Ist er ein „guter“ SPD-Mann in dem Sinne, dass er der SPD „den sie gefährdenden linken Trend“ vom Halse hält, oder einfach zu dumm, um zu sehen, welchen für die offiziellen Parteiziele der WASG, der er ja angehört, erfolglosen Kurs er da steuert? Haben er und seine Kumpane ihre Rolle als Agent Provokateur der SPD nur sehr gut gespielt, oder waren sie wirklich so bescheuert, wie sie sich nach außen hin dargestellt haben.
Es ist gleichgültig. Wir wissen, wie sie funktioniert haben. Und das war im Sinne der Kompensation des Protestes, der sich in diesem Lande seit Jahrzehnten zum ersten male wieder zu rühren begann.
Hatten die Täter , alle seit dreißig, vierzig Jahren SPD-Mitglieder, einen Parteiauftrag, wie man das aus stalinistischen Parteien kennt, oder soll es Zufall gewesen sein, dass überall das gleiche Programm ablief, in Berlin Steglitz zu erst, dann in Rheinland Pfalz, in Mecklenburg Vorpommern und irgendwann, vielleicht schon sehr früh, auch in Thüringen? Immer das gleiche Schema. In den Gründungsvesammlungen herrscht gute Stimmung. Wie überall im Lande hat man sie satt, die „politische Klasse“ mit ihrer verlogenen Sprache von Flexibilität, die Rechtlosigkeit bedeutet, von den Standort- und Strukturproblemen, die vorgeschoben werden, um eine Herabnivellierung auf das Lebensniveau von Entwicklungsländern wie China oder das von Quasikolonien wie Mexiko oder den Philippinen durchzudrücken – vielleicht auch nur auf das des Vereinigten Königsreiches, wo man Zwei Jobs braucht, um gerade so hinzukommen und das im Unternehmen zurückzulassen, was die herrschende Klasse verspekuliert und womit man ein Königshaus unterhält, das mit seinen schmuddeligen Affären für die Unterhaltung sorgt, die die Menschen vom Nachdenken abhält.
Anfangs, wie gesagt, Aufbruchstimmung. Überall bilden sich Arbeitskreise. Man diskutiert Programme, Wirtschaft, Verteilungsfragen wie die materielle Grundsicherung und die steuerfinanzierte Rente. Und es gibt auch den Bezug zur Strasse, wie das der politische Gegner seit Ablösung des Dritten Reiches durch die Bundesrepublik Deutschland zu nennen pflegt. Es gibt die Demonstrationen zu Harz IV, Arbeitskämpfe wie bei Opel in Bochum und Reaktionen auf freche Erpressungsmanöver, von Haupttätern vorgetragen, wie Pischetsrieder von VW und Schrempp von Daimler Chrysler.
Schon zu dieser Zeit wird ausgiebig darüber diskutiert, wie man den Opportunismus, die Pöstchenwirtschaft und das Sesselkleben, die Grundübel bei der SPD und den Gewerkschaften und inzwischen auch bei den Grünen, von vornherein vermeiden kann. Vor allen die Frage nach dem demokratischen Miteinander kommt immer wieder hoch, nicht nur formal im Bundestag, sondern im gesamten Zusammenleben der Gesellschaft und insbesondere in der Partei WASG selbst.
Und gerade Letzteres wird von der doch seinerzeit scheinbar nur spontan zusammen gekommenen Führungsspitze von Anfang an unterlaufen. Die wirklich Aktiven werden diffamiert. „Die wollen doch selber nur“ und hinten herum am Telefon: „Was die über Dich gesagt haben.“ Da werden Mails verschickt, die zu unsinnigen Aktionen aufrufen. Der Bundesvorstand hat angeblich Geld für Flyer zur Verfügung und „die da halten das nur zurück.“ Eine Gruppe druckt schon mal Wahlzettel für die Landesvorstandswahlen und kann in der nächsten Landesmitgliederversammlung dann jede vernünftige Diskussion dadurch verhindern, dass immer und immer wieder auf „das Verhindern jeder Eigeninitiative“ insistiert wird.
In den neuen Ländern, in der ehemaligen DDR also, hat man ein besonderes Gespür für Konspiration, die gegen einen läuft. „Das war die Stasi“ hieß es da. Und heute sagt man einfach: „Der Verfassungsschutz.“ Eigenartigerweise hat jeder, der ein bisschen aktiver wird, plötzlich Ärger mit dem Telefon, zumindest das typische Knacken, manchmal geht den halben Tag nichts und der PC spinnt auch dauernd. Wie in früheren Zeiten, macht das alte Personal, die 131-er der DDR, so weiter, wie gehabt. Die Eleganz der Wessis meint man nicht zu brauchen, und die Leute sind es ja auch gewöhnt. Und außerdem, im Thüringer Innenministerium wurden einmal einfach die PCs mit den wichtigsten Unterlagen geklaut. Am Ende war es für die Landesregierung dann doch eher erfreulich, dass der Scheiß weg war. Das Alles nimmt man mehr mit Spott und Ironie. Aufreibend ist das Andere, die Telefonaktionen und die Hetze am Biertisch. Bisher eher zurückhaltende Mitglieder machen plötzlich geheimnisvolle Andeutungen: “Wenn so etwas läuft“ oder: „Wie der sich verhalten hat“ und auf Nachfrage: „Ich will da gar nicht groß darüber reden, aber für mich ist der…“
Da gelangt dann der Satz vom Verfassungsschutz auch mal in eine Mail, unverbindlich, eher als Andeutung, aber die Konspirativen fühlen sich getroffen und halten es auch nicht für einen Stilbruch, das sogar zuzugeben. Von diesem Zeitpunkt an, gibt es in der WASG-Thüringen keine politische Diskussion mehr, jedenfalls nicht auf Landesebene. Aus der Meininger Gruppe heraus wird jegliche Kommunikation unterbrochen: „Solange diese Vorwürfe nicht vom Tisch sind…“ Man rüstet auch personell auf, ein Dauerzwischenrufer, den man in Erfurt nicht kennt, und Herr Rot, der als Dauerdemonstrant seit der Wende gilt, der, wie man aus Mails von B. Krummrich und F. Janschersky weiß, bei Montagsdemonstrationen auch schon mal 45 Minuten lang spricht, sich auch schon mal zu NPD verirrt hatte und der auch in Erfurt weiß, wie man die Zeit totschlägt.
Irgendwann kriegt der Bundesvorstand dann doch etwas mit, wie auch immer. Oder er meint jedenfalls, sich so geben zu müssen. Das ist die Zeit, als man es noch für ein Anfangsproblem hält, das die eigentlich nie Zeit haben und politisch so gut wie sprachlos sind. Als man die Bestätigung der Aufnahme in den Verein WASG nach einem Monat ohne Unterschrift erhält, was man eventuell noch als EDV-gerechten Umgang mit der Schrift ansehen kann, aber auch ohne Datum?.
Es wird ein Vermittlungsgespräch gemacht. Die Bundesvorstände Peter Vetter und Klaus Ernst kommen uns räumlich entgegen, bis nach Suhl in Südthüringen, nicht weit von Schweinfurt und noch näher bei Meiningen. Für die damals noch als Landeskoordinatoren bezeichneten Landesvorstände sind Roland Spitzer und Peter Hesse dabei, Letzterer in Vertretung von Simone Fichtmüller, die erst noch ihre Eindrücke vom Urlaub in Reunion verarbeiten muss und nicht kann. Für Meiningen sind das Gespann Bernd Krummrich, der Brüller und Frank Janschersky, der eher Hinterhältige gekommen, außerdem noch Schwarzkopf, den man nicht kennt, wie die anderen sprachlosen Meininger, und der dann auch nicht viel sagt. Für Dinge, die man nicht für möglich hält, hat man keinen Sinn, auch wenn sie noch so deutlich zu Tage treten. B. Krummrich und K. Ernst begrüßen sich als alte Kumpel. B. Krummrich fragt dabei auch gleich nach, wie weit den K. Ernst mit den Vorbereitungen für die Party zu dessen fünfzigsten Geburtstag sei, wie viele Leute er eingeladen habe usw. Das wiederholt sich dann noch zweimal im Verlaufe des „Schlichtungsgespräches“ an den unpassendsten Stellen. Wir schließen daraus damals nur: „Die kennen sich.“ Manchmal ist man blind.
P. Vetter und K. Ernst wollen bald wieder weg. Sie erzählen aus ihren Gewerkschaftsleben, wo auch nicht jeder mit jedem könne, und da müsse man eben durch. Und sie meinen wirklich, dass so die Erfolge in der Politik errungen werden.
Auf das Problem selbst, dass man in einer im Entstehen befindlichen Landespartei versuchen muss, alle Regionen zu berücksichtigen, schon wegen der späteren Präsenz in allen Wahlkreisen, und nicht ein paar befreundete Sippen einschließlich Oma und Tante im Südwesten einen ganzen Landesverband übernehmen können, ein Kreis der aus damals nicht erkennbaren Gründen etwas schneller war, gehen P. Vetter und K. Ernst nicht ein. Wir halten das da noch für Unfähigkeit. Es wird sich zeigen, dass mehr dahinter steckt.
Mit der Geschichte von den beiden Mannschaften, bei der die eine mit Hockeyschlägern kommt und die andere Fußball spielen will und der von dem Einbrecher, dem man doch nicht Geld hinlegen könne, mit der Bemerkung, andere Einbrecher wollten auch noch…, füllt K. Ernst die Lücke bis zur Abfahrt. Wir werden diese Geschichtchen noch zu hören bekommen, bei seinem Besuch in Weimar und auch beim Programmkonvent in Göttingen am 21. Januar 2005. Und andere werden davon auch nicht verschont bleiben.
In dieser Zeit kommt die Frage auf, wo stehen diese später wie z.B. Bernd Krummrich mit 26Stimmen bei 50 Anwesenden zum Landesvorstand gewählten eigentlich politisch? ( Die größte Stimmenzahl bei 15 Bewerbern erreichte Marina Ide mit 37. Peter Vetter hat uns schon mit hochgezogener Stirn vom Unwesen der SAV-ler in Frankfurt berichtet. Bei dem Anderen kann man wenig sagen. K. Ernst ist wohl eher durch den kalten Krieg geprägt, diffuse Kommunistenangst, hohle Vorstellungen von der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“, wie man das früher nannte, und womit die SPD-ler einst auf Vordermann gebracht wurden. Bernd Krummrich hat nie eine politische Aussage gemacht. Wenn er in Aktion ist, kann man zwischen seinen Grunz- und Schmatzlauten einzelne Sätze wie: „In der PDS gewesen“ und „Da seid ihr wohl mit den Türken mitgelatscht.“ heraushören. Es ist bekannt, dass es ständig fremdenfeindliche Äußerungen macht. Und die Wessis hasst er wohl wirklich. Janschersky wirkt im Hintergrund. Mehr als zwei oder drei E-Mails hat er nicht zu Stande gebracht und bei diesen geht es fast ausschließlich um das Ausschmieren anderer. Ansonsten verschickt er fast täglich Zeitungsartikel. Man merkt, er liest die Frankfurter Rundschau, was eher auf SPD-Nähe hinweist. In den verschickten Artikeln kommt seine Bewunderung für Karin-Göring-Eckhart zum Ausdruck, die einzige Grün-Alternative Abgeordnete aus Thüringen, wo die Grünen zwar deutlich unter 5% liegen, aber dennoch über den Bundesausgleich diese eine Abgeordnete stellen. Und die hat es auch noch zu Fraktionsvorsitzenden zusammen mit Christa Sager gebracht. – Eine Chance, die sich für B. Krummrich und F. Janschersky zur fixen Idee entwickelt Über die Quote wollen sie ihr Ziel erreichen. Mir der Ostquote nerven sie alle, endlich auch den Bundesvorstand. Und am Ende kann auch K. Ernst sie nicht mehr halten – Aufs falsche Pferd gesetzt, wie er so etwas gerne nennt, und wie es sich als Freudscher Versprecher durch die Rücktrittserklärung der 5 betroffenen Landesvorstände in Thüringen zieht und der 21 anderen – darunter 4 mal Krummrich und 5 mal Janschersky.
Das sind eben Thüringer Verhältnisse. 87 Mitglieder hatte der Verein einmal. Jetzt hat die Partei 23. Es gab einmal Arbeitskreise und monatliche Landesmitgliederversammlungen mit vielen Interessenten. Jetzt läuft nichts mehr. Wir haben das alles für eine Thüringer Sonderentwicklung gehalten. Es war nicht so. Es läuft überall so mies. Mitgründer von Landesverbänden verlassen die WASG, zuletzt in Rheinland-Pfalz und in Mecklenburg-Vorpommern. Es wird zeit, dass wir uns Gedanken über die Zukunft machen,
Nicht als Konkurrenz zur WASG, sondern als Konsequenz aus ihrem Versagen!
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