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Zeitgeschehen
 

Klaus Ernst bei der WASG in Weimar

Gedächtnisprotokoll

Von Peter Hesse

04.02.05

Das könnte auch in Hoyerswerda sein, Plattanbauten, Nachwendepflaster, definierte Parkbuchten, dazwischen viele frisch gesetzte Bäume. Nichts erinnert hier an den Geheimrat Goethe, ohne den doch sonst in Weimar keine Kaffeetasse auskommt. Und dabei geht es um eine Landesversammlung der Wahlalternative, bald Partei ASG – Wahlalternative. Wenn sie schon den weiten Weg aus Südthüringen hierher gemacht haben – fast alle sind aus der Gegend von Meiningen und aus Weimar natürlich, - ein bißchen Flair der Klassikerstadt sollte schon dabei sein, wenn auch nur die tausend Meter vom Bahnhof bis zum Frauenplan. Nichts von alledem, dafür kostenlose Parkplätze für die Harz-VI- Empfänger mit 637,- €. Die ASG fordert zwar in ihren Programm: “Ein verstärktes staatliches Engagement ...(im) Personennah- und fernverkehr“ „... in einem flächendeckenden Netz“, [Vorläufiges Programm, II, F.2 „Umweltschutz“], aber wer denn wirklich kein Auto hat, wie die junge Frau von attac, die im späteren Verlauf der Versammlung die Frage stellen wird, wann man denn nun endlich zu Inhalten kommen werde, der soll die 40 Minuten eben zu Fuß gehen. Aber alles in allem schon eine riesiger Fortschritt gegenüber Gehren, dem Flecken im Thüringer Wald, dem Tagungsort des weihnachtlichen Landestreffens.

Aber auch diesmal – da ist echtes Marketing am Werke – beschauliche Atmosphäre, erster Eindruck: Es geht um „ falsche Perser - Kaffeefahrtatmosphäre“, diagonal stehende Tische, keiner für den Vorstand oder sonst einen Moderator der Versammlung, überhaupt keinerlei Orientierung. Die Landesvorsitzende M. Ide wie eine „Reiseleiterin“ mit dem Rücken im stirnseitigen Fenster des Raumes, auch sonst alles sehr knapp, 30 Leute, einige sitzen auf einzelnstehenden Stühlen in nähe der Tür. B. Krummrich als „Verkaufsleiter“, an der linken Seite, ebenfalls stehend, erläutert Organisatorisches, „Beschlüsse der Geschäftsleitung.“

Bald kommt B. Krummrich zu seinem Lieblingsthema: Wie kann man Mehrheiten ohne allzu tiefen Einstieg ins Demokratische gewinnen. B. Krummrich will Bundestagsabgeordneter werden, um jeden Preis. Neulich hat sein Kumpan F. Janschersky, auch anwesend, einen Zeitungsartikel ausgegraben und verschickt. Da wird die Karriere von Frau Göring-Eckart beschrieben, einzige Abgeordnete der Grünen aus Thüringen, die haben hier nur ca. 3,5%. Nach Bundeswahlrecht reicht das trotzdem für ein Thüringer Mandat. Und dann bildet diese Frau wegen der Ostquote sogar gemeinsam mit Christa Sager aus Hamburg den Fraktionsvorsitz.

Es geht also über die Ostquote. Bundesvorstand und Länderrat paritätisch beisetzen, fifty-fifty Ost-West. Klaus Ernst wird später darauf hinweisen, daß man doch mit Parität im Länderrat schon sehr gut fahre, 5 ½ Ost (wg. Berlin) zu 10 ½ West. Wenn man die Anteile an der Gesamtbevölkerung Deutschlands in Rechnung stelle, 14 Mio zu 69 Mio also 1:4, und erst die Mitgliederzahlen der Partei mit < 500 und > 7000 entsprechend 1:14, sei man doch eigentlich ganz gut gestellt.

Aber ersteinmal erläutert Bernd Krummrich seine Versuche, das Prinzip, ein zusätzlicher Delegierter pro 1000 Mitglieder des Landesverbandes, zu kippen.

Weiter in der Tagesordnung, Pkt. 3 „Zeitschiene für den Aufbau der Parteistrukturen“. Marina Ide nennt ein paar Termine und dann hat B. Krummrich wieder sein Thema. Es darf auch Ländersatzungen geben. Da möchte er Gesichtskontrollen für Neumitglieder durch den Landesvorstand einbringen, am besten auch gleich für alte Mitglieder, die sich ihre Beiträge nicht vom Vorstand genehmigen lassen.

B. Krummrich denkt ausschließlich in Verfahrenstricks, bis auf Einwürfe im Verlaufe der chaotischen Abschnitte seiner Landestreffen, die er regelmäßig provoziert und in denen er kurze Teilsätze ausstößt, wie „... brauchen nicht das Kommunistische Manifest zu lesen“, „Leute, die schon bei der SED und PDS waren...“, „Da seid Ihr wohl mit den Türken mitgelatscht“, ist nichts bezüglich seiner Gesinnung bekannt geworden. Eine politische Einstellung ist nicht zu erkennen, eher dumpf, unwissend wie die Mehrheit der unzufriedenen Protestler in den neuen Bundesländen, im Prinzip daher rechts. Es lohnt sich nicht, ihm zuzuhören.

Klaus Ernst kommt.

Kurzer Handschlag mit Roland Spitzer, dem Mitgründer der WAsG und 1. Landeskoordinator Thüringens, der in der Landeshauptstadt Erfurt schon einmal eine Adresse geschaffen hatte, die jetzt der Arbeitskreis „Visionen und Perspektiven“ hält, die Herrschafts Clubgaststätte, Wilhelm Busch Straße, Fünfzehn Minuten vom Bahnhof, drei mit der Straßenbahn.

K. Ernst spricht, an der Stirnseite des Raumes stehend. Alle können ihn hören und sehen und er macht das routinemäßig, wie in einer Gewerkschaftsveranstaltung. Auch ihm geht es ausschließlich um Abläufe. Weil die Nordrhein-Westfalen unbedingt an der Wahl im Mai teilnehmen wollen, haben wir keine Zeit für viele Diskussionen und überhaupt, die Streitereien der Intellektuellen, die hätten noch nie etwas gebracht. Wir bräuchten vorallem Mitglieder.

Er hat offensichtlich vorher mit B. Krummrich telefoniert, oder auch ein direktes Gespräch geführt. Meiningen ist nicht so weit von Schweinfurt entfernt und man trifft sich häufig bei Jubiläen und Geburtstagen, wie Ernsts Fünfzigstem z.B. An der Wortwahl merkt man: K. Ernst kennt B. Krummrichs Probleme mit Leuten, die diesem nicht so dienlich sind, und in einer Partei mehr sehen, als einen Wahlverein für pöstchengeile Trixer.

Er tritt das dann auch ordentlich breit. Es sei nun mal so, irgendwann müsse man mal akzeptieren, wie es gelaufen sei. Vorallem, man solle doch nicht in der Öffentlichkeit darüber reden und schreiben. Und nicht dauernd diese Gerede über Rechte und Einfluß der Basis. Die Führungsebene bräuchte nun mal einen gewissen Spielraum. Da könne man nicht über alles immerzu abstimmen, das müsse schnell entschieden werden, nicht so wie bei den Basisdemokraten.

Ob als Finte, oder weil er es wirklich nicht besser weiß, Klaus Ernst leiert ausschließlich die bekannten negativen Klischees zur Direkten Demokratie herunter. Zur Basisdemokratie, obwohl er das Wort dauernd im Munde führt, weiß oder sagt er nichts. Aber man merkt schon, er mag es nicht, wenn einfache Mitglieder einfach mitreden wollen.

Dennoch fordert er am ende seines Beitragen zur Diskussion auf, das macht man so. Und da passiert es. Thomas Siegfried, nach eigenen Worten „vom Landesvorstand als Mitglied der Programmkommission verpflichtet“ , der eigentlich unter Pkt. 4, die Chance gehabt hätte, seinen lange angekündigten Beitrag zum Programm etwas verspätet nachzuliefern, gibt die von manchen WaSG-lern, vor allen in den alten Bundesländern, heftig hervorgebrachte These zum besten, die Gewerkschaften versuchten, die Entscheidungen innerhalb der WaSG massiv zu dominieren. Dies täten sie mit dem Ziel, ihre, die Politik der Gewerkschaften, total auf die ASG zu übertragen. Diese, von den Bochumer und Ludwigshafener Gruppen und der „Wahlalternative Basisdemokratie“ vorgetragenen Dinge, kann man im Netz ausführlich nachlesen. Sie waren ursprünglich nicht Gegenstand der hier angesprochenen Problematik, können aber, nach den Auslassungen K. Ernsts dazu, nicht ganz ignoriert werden.

K. Ernst argumentiert, es sei nun einmal Fakt, das die Gewerkschaften das Wesentliche leisteten. Wo wäre man denn. Die linken Spinner brächten doch nichts. Er spricht links und Linke so aus, wie wir das von rechten SPD-Mitgliedern kennen. Und weiter, man sehe sich doch einmal Schweinfurt an, wo er einen IG-Metall-Bezirk mit Zwanzigtausend Mitgliedern führe, da habe man 120 Mitglieder, während Würzburg mit seinen Streitereien nur auf 25 komme. ( 120 von 20 000 ist eigentlich auch nicht so berühmt.)

Also doch. - Klaus Ernst wird noch lange brauchen, bis er merkt, daß man die Politik der Gewerkschaften der letzten 30 Jahre nicht ein bißchen besser, etwas „Ernster“, hätte machen sollen, sondern daß eine Politik, die die Menschen bevormundet, das Problem ist.

Um 10 Uhr leert sich die hintere Hälfte des Saales - der Bus. Die Altersheime schließen zwar nicht mehr um 10:00 Uhr aber der Rhythmus ist noch drin. 15 Passive, 30 € Beiträge im Monat, in der Partei dann nur noch 15 €. Sollte das wirklich der strategische Faktor in Thüringen sein?

 

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