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Wirtschaft
 

Zusammenhänge – neu gesehen

Rettungsfonds und „neoliberale“ Freiheit

von Klaus Buschendorf

Viele Worte sind durch die Medien gegangen, was Frau Merkel alles tut, die Finanzkrise mit ihren Auswirkungen von den Bürgern fernzuhalten. Ich pflichte meinem Kollegen Holdger Platta bei, wenn er sagt: Alles, was sie tut, ist richtig. Das mag verwundern. Zwei Journalisten, die sich der Protestbewegung verpflichtet fühlen, stehen hinter der Bundeskanzlerin? Doch Holdger Platta fragt: Was verschweigt sie? Ich frage: Tut sie genug?

Wer in den Top-Themen unserer Website (Artikel Eins) stöbert, wird auf Vorschläge stoßen, wie die Gesellschaft umgestaltet werden könnte. Er wird ein System finden: Grundsicherung – Mindestlohn – Durchschnittslohn – Maximallohn. Nun schlägt Frau Merkel einen Maximallohn für Banker vor: 500.000 Euro. Hat Frau Merkel bei uns rein- und abgeschaut?

So bedeutend ist unsere kleine Internetzeitung sicher nicht. Doch interessant ist schon, dass man „oben“ draufkommt, was „unten“ schon gedacht worden ist. „Oben“ erkennt man zunehmend, dass die Finanzwirtschaft mehr Regeln braucht, Maßhalten die Gier bezwingen muss, welche Vertrauen zerstört hat. Nur die Finanzwirtschaft?

Bleiben wir bei ihr. Ein Klempnergeselle erhält hier in Deutschland das Angebot einer amerikanischen Bank (hier mit vielen Filialen vertreten) für einen großzügigen Konsumenten- und Überziehungskredit. Der Bankberater kann ihm die Vorzüge gut darlegen, der Geselle geht darauf ein. Nach der Unterschriftsleistung hat der Berater noch ein Schnäppchen: günstige Versicherungen für ihn als guten Kunden. Auch das ist günstig und notwendig, findet der Geselle und freut sich seiner guten Absicherung. Zins- und Zinseszinsrechnung sind nicht jedermanns Sache. Kaum einer ist sich bewusst, dass jeder Kredit den ursprünglichen Preis je nach Laufzeit erhöht – durch die Zinsen an die Bank. Die lebt davon. Wie auch der Berater, denn die ersten Raten sind seine Provision. Die zahlt der Geselle in den ersten Jahren. Warum sollte sich der Berater mehr Gedanken über die finanzielle Situation seines Kunden machen, als für die nächsten zwei Jahre? Und – geht es bei der Kaufkraft der Bevölkerung (und seines Kunden) stetig aufwärts, gibt es dafür auch keinen Grund. Doch so ist es nicht. Überall fordern die „wirtschaftlichen Anforderungen der Globalisierung“ Lohnverzicht und senken die Kaufkraft. Hinzu kommt für den Gesellen: Seine großzügigen Kredite verführen zum Kauf – Geld kommt von der Bank, man kann es! Die Zinsen wachsen – plötzlich ist die Arbeitsstelle weg. Der Geselle will sparen, sich von den Versicherungen trennen. Das geht nicht, sagt die Bank. Sein Berater? Der hat die Bank gewechselt. Ist er der Gewissenlose?

Der Berater lebt von seiner Provision, ist Gefangener des Systems. Das System aber, so sagen alle neoliberalen Apologeten, müsse frei sein, absolut frei von staatlichen oder sonstigen Beschränkungen. Der „Markt“ regele doch alles von ganz allein. Das tut er eben nicht! Wir sehen es jetzt.

Empfindliche gläubige Menschen mögen mir verzeihen, wenn ich jetzt einen großen Bogen zum Alten Testament der Bibel schlage. Warum holte Moses vom Berg Sinai die Zehn Gebote? Vorher waren die Menschen doch viel freier – nichts war verboten! Diebstahl und Raub, Vergewaltigung und Ehebruch, selbst Mord waren erlaubt. War der Täter stark genug, brauchte er keine Vergeltung fürchten. Waren diese Regeln, dieses erste Maß ihres Handelns, nicht gut für die Freiheit aller Menschen, auch der schwachen?

Die Zehn Gebote waren erste Schritte, Ordnung und Maß zu bringen in den Umgang der Menschen untereinander. Sie haben das Faustrecht, das Recht des Stärkeren beseitigt – Moral und Gewissen entstanden. Inzwischen sind die einfachen Menschen schon so viel von Gesetzen und Bestimmungen des Staates umstellt, dass sich diese Ordnung als Pendel schon wieder zur Unfreiheit, zur Bedrückung neigt. So ist es „unten“.

Und „oben“? Niemand, kein Staat, kein Papst, soll der „Wirtschaft“, dem „Markt“ reinreden, ihn begrenzen. Wohin das führt, sehen wir. Dort „oben“ – da muss jemand Regeln, Maße schaffen, damit die Akteure wieder Moral und Regeln lernen, das Faustrecht wieder verschwindet. Nur ein Staat kann das leisten, ein Staat, der zurücktritt, wo man ihn nicht braucht, der dort durchgreift, wo es zum Wohle seiner Bürger nötig ist. Von allein kommt dieser nicht. Einen solchen Staat müssen wir erst demokratisch gestalten.

Doch unser Grundgesetz hat schon viel davon. Entdecken wir es, wenden wir es an und setzen es durch. (Übrigens: Der Name unserer Zeitung „Artikel Eins“ bezieht sich auf den ersten Artikel unseres Grundgesetzes.)    

 

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