Zusammenhänge – neu gesehen
Kindersklaven
von Klaus Buschendorf
Von ihnen und Kinderarbeit wird in einer Reportage aus dem fernen Indien berichtet, die zurzeit zwischen den weniger stark in der Publikumsgunst stehenden TV-Kanälen wandert. Doch so fern ist das nicht. Denn die Pflastersteine, welche Kinder in den Steinbrüchen zurecht klopfen,liegen zuletzt auf deutschen Marktplätzen. Ein Fernsehteam geht den Steinen nach und filmt (natürlich verdeckt) Erstaunliches. Es findet Abnehmer, Zwischenhändler, Ex- und Importeure. Erschütternd sind die Bilder beim Hersteller – im Steinbruch. Nicht nur regelrecht von ihren Familien „weggekaufte“ Kinder, ganze Familien arbeiten – und leben dort. „Das müsste man verbieten“, ist die unwillkürlich erste Reaktion. Dann schleicht erschütternd die Frage nach: „Wovon sollen die Kinder, diese Familien dann leben?“
Es ist nicht die einzige Ratlosigkeit, die zurückbleibt. Das Team kommt nach Deutschland und fragt den Verkäufer: „Können Sie ausschließen, dass Kinderarbeit an ihren Steinen beteiligt ist?“ – „Selbstverständlich“, kommt überzeugend die Antwort. Ein Zertifikat zeigt der deutsche Geschäftsführer vor, ausgestellt von der UNESCO. Dann lässt der Reporter seinen Film ablaufen, zeigt jene „UNESCO“ in einem schmuddeligen indischen Häuserviertel, lässt Interviews hören, wo man bekennt, dass gar nicht kontrolliert werden könne, sei ja alles viel zu weit abgelegen. Dokumente dieser Art kann man dort ab 40ct. Kaufen, die Reporter legen es dem deutschen Steinehändler vor. „Was werden Sie nun tun?“
Betroffenheit ist unübersehbar. Das will er nicht. Doch jeder Händler weiß auch: Steigt er aus, macht das Geschäft ein anderer – und neue „Zertifikate“ gibt es immer wieder. Er war so froh mit billigen Pflastersteinen aus Indien bestehen zu können im Markt – seine Existenz zu sichern, in Deutschland „Arbeitsplätze erhalten“ zu können ...
S ist die zweite Ratlosigkeit, die den Zuschauer anweht. Was zwingt den Händler, sein Gewissen zu beruhigen, zu unterdrücken? Der Markt, wird er sagen, nach ihm muss ich mich richten! Der Markt von heute – ja! Doch – muss dieser Markt so sein, dass er die Einen in Sklavenarbeit zwingen und Andere gegen ihr Gewissen handeln lässt? Glaubt man den Neoliberalen, sei die Globalisierung heute eben so. Und ihr könne man sich eben nicht entziehen.
Doch der Markt, so wie er heute ist, ist von Menschen so gemacht. Menschen können ihn auch ändern. Vor Jahrhunderten war der Markt erstarrt. Zünfte hielten ihn eisern im Griff, den Meistern und Gesellen Arbeit und Brot zu sichern. Die Zunftordnung wurde zum Hemmnis, der Markt wurde „frei“. Der Kapitalismus stieg mit ihm empor, beflügelte Technik, Wissenschaft, Handel und Verkehr. Und schafft wieder – Arbeitslosigkeit und Kindersklaven. Ist es nicht Zeit, dem Markt wieder Zügel anzulegen, damit er wieder auch denen nützt, die in und für ihn produzieren?
Wer soll das tun? Wie soll das geschehen?
Das ist ein anderer Artikel. |