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Wirtschaft
 

„Die unerklärten Kriege der Mächtigen gegen das Volk“

von Hermann Ploppa

Kurze Zusammenfassung vorweg für eilige LeserInnen:

Die nachfolgende Untersuchung betrachtet gravierende Gefahren und Verwüstungspotentiale, die die Zivilisation, wie wir sie bislang kennen, in hohem Tempo hinwegpusten können.

Der Aufsatz versucht einige Aspekte und Kraftfelder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, die m.E. bislang zu wenig oder gar nicht beachtet worden sind. Es handelt sich also nicht um eine Geringschätzung der Agenda-2010-Problematik, wenn dieser Komplex hier nicht abgehandelt wird.

Es ist notwendig, den Kartellen eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im Gegensatz zu den USA wird in Europa erstaunlich wenig über die verheerende Wirkung der Kartelle nachgedacht, ganz zu schweigen von möglichen Gegenmaßnahmen. Preisabsprachen und Innovationsunterdrückung hemmen nicht nur den technisch-kulturellen Fortschritt nachhaltig. Die Lebensqualität wird durch überhöhte Grundstoffpreise ganz erheblich eingeschränkt. Nicht zuletzt häufen Kartelle eine solche Machtfülle an, daß sie nunmehr in der Lage sind, Staaten und deren Strukturen nicht nur zu beherrschen, sondern diese Staaten auch auf ein unerträgliches Rumpfdasein zu verkleinern.

Seit 25 Jahren erreicht der Kampf gegen die Solidarstrukturen der Industrienationen ein solches Ausmaß, daß die Zivilisation selber in Frage gestellt wird. Bislang als unverkäuflich betrachtete genossenschaftliche Errungenschaften werden nunmehr verscherbelt: gesetzliche Kranken- und Sozialkassen, öffentliche Liegenschaften, gemeinnützige Wohnungsgesellschaften, Raiffeisen- und Sparkassen, Bahn und Post.

Die internationalen Finanzkartelle zerschlagen mit Basel II die Reste des gewerblichen Mittelstandes. Die Europäische Union entpuppt sich als undemokratisches Machtinstrument der Kartelle.

Die internationalen Finanzmärkte sind verwildert. Durch Clearingsysteme und Steueroasen werden nicht nur die Staaten mittlerweile um die Hälfte des ihnen zustehenden Steuergeldes gebracht. Die Anonymisierung der Geldwege macht alle Geldeinnahmen gleich: legale Geschäftserträge gehen genauso in die unförmige Kapitalmasse ein wie Erlöse aus Waffen-, Drogen- und Menschenhandel.

Terrorismusgeld kann genauso zum Ankauf ehemals gemeinnütziger Wohnungen verwendet werden wie legales Geld. Zugleich gerät immer mehr Gemeingut in die Fänge riskanter Geldanlagen.

Also eine gigantische Volksenteignung, die nur möglich wird durch die vorherige geistige Enteignung durch Gehirnwäsche.

Widerspruch oder gar Widerstand ist rar und höchst verstreut. Aufgabe einer politischen Partei sollte es sein, die Widerstandspotentiale aufzufinden, zu deuten und anderen Segmenten der Gesellschaft verständich zu machen. Da bereits jetzt viele Enteignungen nicht mehr rückgängig zu machen sind, sollte neben der Kommunizierung von Widerstand gegen Volksenteignung die Vermittlung von Initiativen neuer Solidarstrukturen ihren Platz haben.

Der Aufsatz:

Gewaltige Verschiebungen an Macht- und Eigentumspotentialen sind weltweit im Gange. Sie wirken sich auch auf die Struktur und Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland aus.

Die öffentliche Wahrnehmung beschränkt sich jedoch auf einige besonders augenfällige Erscheinungsformen der „Globalisierung“ und des „Neoliberalismus“.

Als gäbe es noch die kulturelle Klassenscheidung zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum, konzentriert sich PDS/“Links“partei/WASG fast ausschließlich auf die Folgen der neoliberalen Verwahrlosung auf die abhängig Beschäftigten. Gegen die Auswirkungen von Hartz IV und ALG II zu mobilisieren ist gut und notwendig, läßt aber allein für sich genommen die Gesamtheit der zerstörerischen Umwälzungen außen vor. Bei einer derart verengten Sichtweise beraubt man sich der Fähigkeit, dem Übel auf den Grund zu gehen und gibt ohne Not die Möglichkeit – und Notwendigkeit! –, die ganze Breite eines möglichen Bündnisses zur sozialen und kulturellen Erneuerung unserer Gesellschaft auszuschöpfen, preis.

Viele sehr wesentliche und in letzter Konsequenz schmerzhafte Entwicklungen bleiben bislang leider außerhalb der kollektiven Beobachtung. Selbstverständlich sind alle von mir im Folgenden geschilderten Tendenzen irgendwie irgendendwo schon einmal beschrieben worden. Aber diese Phänomene zu bündeln und auf eine wirkungsvolle politische Strategie hin zu bewerten, das hat meines Wissens bislang noch nicht stattgefunden. Das liegt daran, daß alle etablierten Parteien (das schließt „Linkspartei“/PDS/WASG mit ein) ganz andere Interessen verfolgen, als das Leid der Menschheit zu lindern und in Freude umzuwandeln!

Totalitätsanspruch der Kartelle

Es geht bei den Umwälzungen, die mit dem ideologisch vernebelnden Begriff „Neoliberalismus“ umschrieben werden, keineswegs darum, dem freien Wettbewerb Tür und Tor zu öffnen. Im Gegenteil: Die Ressourcen dieser Welt sind schon seit Ewigkeiten fest unter Kartellen aufgeteilt. „Freien“ Wettbewerb gibt es höchstens noch bei Zulieferern der Kartelle. Seit etwa 120 Jahren versuchen die Kartelle, über die Politik immer neue Bereiche der Gesellschaft ihrem totalitären Regiment zu unterwerfen.

Das ist der erste Angelpunkt: Das Regiment und der unersättliche Expansionsdrang der Kartelle.

Gegenmacht Genossenschaften

Dem steht gegenüber: die Grundlegung der zivilisierten europäischen Nationen auf Genossenschaften. Im 19. Jahrhundert waren die neuen Klassen der abhängig Beschäftigten ausgeschlossen von zentralen Aspekten eigenständiger wirtschaftlicher Tätigkeit.

Die Arbeiterbewegung und die kleineren Landwirtschaftsbetriebe bildeten Selbsthilfestrukturen: Arbeiterbauvereine, Spar- und Raiffeisenkassen, Gewerkschaften, Konsumgenossenschaften, Bildungsvereine, Alters- und Krankenversorgung. Diese wurden dann zunehmend in die politische Infrastruktur eingebunden, entsprechend materieller und zahlenmäßiger Bedeutungszunahme dieser Bevölkerungsschichten. Der Staat selber griff genossenschaftliche Elemente auf, verstaatlichte und zentralisierte viele Grundversorgungsunternehemen, wie z.B. die Eisenbahn. Das bedeutete politische Macht und Teilhabe der kleinen Leute, und einen Schutzpuffer gegen zu harte Ausbeutungsattacken von oben.

Um diese Macht zu brechen, bedienten sich die Kartelle in den Zwanziger Jahren des Faschismus und des Korporativismus. So wurden in Deutschland die Genossenschaften den neuen Standeskammern und der Deutschen Arbeitsfront untergeordnet.

Auch unter Adenauer änderte sich an diesem Status (bis auf die juristische Eigentümerschaft) nicht allzu viel. Eine bürokratische Verknöcherung und Entfremdung von der Basis machte es sodann leicht, viele dieser Genossenschaften abzuwickeln (Stichwort „Neue Heimat“, Bank für Gemeinwirtschaft).

Enteignungswelle „Privatisierung“

In den Achtziger Jahren begann dann der Großangriff auf das Eingemachte: Privatisierung von Bundesbahn, Deutsche Post. 1989 wurde ein gesamter Genossenschaftsstaat (DDR) im Handstreich enteignet. Bei diesem Fischzug bildete sich eine neue Kaste von kapitalistischen Raubrittern, die seitdem das Tempo der Volksenteignung enorm forciert.

Aktuell stehen folgende Posten zur Verramschung an:

  • die gesetzlichen Kranken- und Sozialkassen;
  • öffentliches Wohneigentum

Bekanntlich wohnen viele Mitbürger verhältnismäßig erschwinglich in Mietwohnungen, die von nicht profitorientierten gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften betrieben werden. Es handelt sich entweder um genossenschaftlich entstandene Arbeiterselbsthilfevereine, oder um Betriebswohnungen von öffentlichen Firmen. Oder um kommunal betriebene Wohnungen. Diese Vermieter vereint, daß sie eine erschwingliche Grundversorgung mit Wohnraum gewährleisten wollen.

Wir stehen gerade am Anfang einer gigantischen Verramschung dieser gemeinnützigen Wohneinheiten an dubiose Geldanlagekonsortien, vornehmlich aus den USA. Die Städte sind klamm und verkaufen ihr Tafelsilber. Privatisierte Unternehmen wie Deutsche Bahn AG wollen sich durch Verkauf ihrer Betriebswohnungen liquide machen. Firmen mit so klingenden Namen wie Cerberus, Blackstone, Fortress (=Festung!), Lonestar und Annington kaufen massenweise deutsche „Wohnungspakete“. Diese Firmen vertreten allein die Gewinninteressen ihrer diversen, unbekannt bleibenden Geldanleger. Die sozial schwachen Mieter sind jetzt sog. REITs ausgeliefert. Das bedeutet: o.g. Gesellschaften sind an der Börse notiert: „Dass es hierbei in erster Linie um Renditen und Gewinnmaximierung geht, liegt auf der Hand“, meint nicht nur der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips.

Denn um einen schnellen Euro zu machen, verkaufen die REITs einen Teil der für 700 Euro pro Quadratmeter angekauften Wohneinheiten wieder für 1100 Euro. Was mit dem Rest geschieht, ist bislang unbekannt. Zu den Größenordnungen der bereits verabredeten Deals: die LEG in Nordrhein-Westfalen steht zum Verkauf mit 100.000 Wohnungen; die Dresdner Woba mit 48.000 WE; die Bremer Gewoba mit 43.000 WE. Die Deutsche Annington besitzt 230.000 WE und will auf eine halbe Million WE wachsen.

Der kurzfristige Liquiditätsgewinn der Kommunen durch Wohnungsverkäufe wird langfristig die Kommunen teuer zu stehen kommen: denn die durch Mieterhöhungen geschaffenen Wohnungslosen müssen irgendwo wieder untergebracht werden, wofür die Solidargemeinschaft der Steuerzahler aufkommen wird. Die Gewinne liegen bei den REITs, die Verluste beim Volk.

Jahrzehntelang hat die Sozialdemokratie die öffentlichen Wohnungseinheiten als scharfer Wachhund verteidigt. Seit einigen Jahren haben die gemeinnützigen Institutionen jedoch überhaupt keinen starken politischen Flankenschutz mehr.

  • öffentliche Parkanlagen
  • Wasserwerke, Gaswerke
  • Die Bahn AG endgültig an die Börse.

Man muß noch einmal hervorheben, daß gewählte Volksvertreter Eigentum verhökern, das ihnen gar nicht gehört!!! Das sie lediglich treuhänderisch für das Volk verwalten sollen.

Wesentlich ist weiterhin, daß sich durch die „Privatisierungen“ von Staatsbetrieben deren Daseinszweck radikal ändert: von der gerechten und effektiven Versorgung der Bevölkerung hin zur Erzielung eines möglichst hohen Shareholder Values.

Das bedeutet grundsätzlich – anderslautender Einreden ungeachtet - : Senkung der Kosten ohne Rücksicht auf den Versorgungsauftrag; Ausdünnung des Versorgungsnetzes; Merchandizing-Schnickschnack anstelle von transparenter Kundeninformation. Die Liste der Negativfolgen läßt sich beliebig erweitern.

Der „Sachzwang“ ergibt sich aus der enormen Verschuldung der öffentlichen Hand. Diese ist von den „neoliberalen“ Politikern durch eine bewußt herbeigeführte Verschwendung öffentlicher Gelder herbeigeführt worden, um eben diesen Sachzwang zu begründen. Daß eine Politik betrieben wird, die absolut ungeeignet ist, dem Staat jemals wieder nennenswerte Einkünfte zu ermöglichen, ist keine Dummheit, sondern Kalkül.

Wer in verantwortlicher Position zugibt, die Exportwirtschaft sei kerngesund, es hapere jedoch an der Binnennachfrage, und sich dann hartnäckig weigert, eben diese Binnennachfrage anzuregen, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er die Infrastruktur Deutschlands wissentlich herunterwirtschaftet.

Der Staat ist jedenfalls nicht mehr in der Lage – so wird uns die Situation erklärt – seiner Funktion als eigenständiger Gestaltungsmacht und Puffer gegen die extremen Schwankungen kapitalistischer Konjunkturen und Preismanipulationen nachzukommen. Gleichzeitig weiß der Staat, daß eine kalkulierte Verwahrlosung der Zivilgesellschaftsozialtechnische Folgekosten nach sich zieht. Für die zu erwartenden Kriminalisierungseffekte wird eine Beobachtungs- und Verwahrungstechnik mit extrem hoher Feinauflösung ausgearbeitet.

Zu erwarten sind die Aufteilung des öffentlichen Raums in unterschiedliche Zugangsgrade für unterschiedliche Personengruppen. Des weiteren der Aufbau einer gigantischen Gefängnisökonomie (früher auch: Zwangsarbeit genannt). Die Alphaville-Urbanität. Abnehmende Toleranz gegenüber Verhaltens- und Charaktermerkmalen, die nicht in die neue Verwertungslogik passen.

EU-Kartellregierung ohne demokratische Legitimation

Mittlerweile hat die Bundesrepublik Deutschland bereits einen Teil ihrer nationalen Souveränitätsrechte an die Europäische Union abgetreten. In vielen Bereichen gilt schon heute: Europarecht bricht nationales Recht.

Alles, was von der neuen Regierung der Europäischen Gemeinschaft unter Baroso bislang an Vorgaben erkennbar wurde, deutet auf eine strikt kartellhörige Politik der EU hin. Ob es sich um die Bolkestein-Richtlinie handelt oder die neuen Mediendirektiven: rigide wird von der europäischen Exekutive eine Politik im Interesse der Kartelle durchgezogen.

Durch das Veto des französischen und niederländischen Volkes beim Referendum über die EU-Verfassung ist ein undemokratischer Putsch einstweilen zumindest verzögert worden. Das französische Volk war vorzüglich über den Inhalt der anvisierten EU-Verfassung informiert und hat diesen Verfassungstext ausdrücklich wegen seiner undemokratischen Vorgaben abgelehnt.

Denn die zu ratifizierende EU-Verfassung ist einer Präsidialdiktatur weit ähnlicher als einer Demokratie.

Es gibt keine ausgewogene Gewaltenteilung zwischen Exekutive – Legislative und Judikative in jener Verfassung. Das einzige vom Volk gewählte Organ, das Europa-Parlament (räumlich in Strasbourg schön weit weg von der Exekutive in Brüssel) darf die Beschlüsse des Ministerrates nur zur Kenntnis nehmen, und seine Meinung wird „angehört“.

Die meisten Fachminister sind selber jahrelang Lobbyisten der Kartelle gewesen. Die Arroganz dieser neuen Kartell-Superregierung wird immer offener zur Schau getragen. Beispielsweise kurz vor der Bundestagswahl in Deutschland, als die niederländische EU-Kommissarin ungeniert eine Wahlempfehlung für Angela Merkel abgab.

Um es deutlich zu sagen:

unbeobachtet und unterschätzt von der Öffentlichkeit hat sich über den allgemein akzeptierten Nationalregierungen eine demokratisch nicht legitimierte Vollstreckungsinstanz der internationalen Kartelle eingerichtet.

Zerschlagung des gewerblichen Mittelstandes

Ein wichtiger Puffer, der in allen europäischen Zivilgesellschaften zu große soziale Ungleichheiten verhindert, begründet sich in der Existenz eines breit verankerten und akzeptierten Mittelstandes. Gegen dessen Existenz führen die Kartelle seit vielen Jahrzehnten einen unerbittlichen Vernichtungskrieg. Denn das breite mittelständische Segment sorgt dafür, daß es noch einen großen Anteil autonomer Wirtschaftsaktivität gibt, der sich den Regulierungsbestrebungen der Kartelle widersetzt; widersetzen muß aufgrund seiner eigenen Logik.

Unter dem Deckmantel der korporativen Volksgemeinschaft wurden in den faschistischen Regimes mittelständische Betriebe per Erlaß zwangsweise aufgelöst. Der heutige Deckmantel heißt: Basel II. Unter der Direktion der Baseler Bank für Internationale Zahlungsausgleich sind seit 1988 strengere Kreditauflagen für alle Banken der zehn wichtigsten Industriestaaten verbindlich verabredet worden.

Grundsätzlich schreiben Basel I und II den Bankinstituten vor, einen Teil der ausgegebenen Kredite durch Rücklagen abzusichern. Das ist zunächst einmal eine vernünftige Idee.

Schaut man sich jedoch die Ausführung dieser Vorgaben in der Praxis genauer an, so stellt man fest, daß durch Basel II der Vorwand geliefert ist, den Mittelstand in Europa zu strangulieren.

Während nämlich äußerst windige Großspekulationen keine Probleme haben, durch Bankkredite abgestützt zu werden, werden ehrliche mittelständische Betriebsinhaber durchleuchtet und abgefragt, als seien sie notorische Trickbetrüger. Und nicht das allein: sie werden auch gezwungen, auf grundgesetzliche Rechte zur Erhaltung ihrer bürgerlichen Ehre vertraglich zu verzichten, und zu unterschreiben, daß sie der Preisgabe ihrer intimen Geschäftsdaten an Dritte zustimmen. Bei diesen Dritten handelt es sich um Interessenten, die eventuell den Kreditvertrag von der Hausbank aufkaufen wollen.

Wie dereinst die verschleppten Menschen aus Afrika nackt auf dem amerikanischen Sklavenmarkt sich von ihren Kaufinteressenten abtasten und in den Mund schauen lassen mußten, so ist der Mittelständler dubiosen Kredithaien wehrlos ausgeliefert.

Fallbeispiel: „Susanne M.“

Das Zentralorgan des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels, die „Lebensmittel Praxis“ berichtet in ihrer Ausgabe Nr. 9 vom 10.5.2005 von den radikal veränderten Kreditbedingungen für Einzelhändler am Beispiel der anonymisierten Düsseldorfer Ladenbesitzerin „Susanne M.“.

Susanne M. hat bei ihrer Hausbank seit Jahren einen festen Kreditvertrag, der ihr in der Sauregurkenzeit (z.B. Sommerferien) und für notwendige Investitionen einen gewissen finanziellen Spielraum ermöglicht. In diesem Jahr, so stellt sie im Nachhinein erschrocken fest, sind einige vom Kreditsachbearbeiter nicht erklärte Neuregelungen eingewoben worden. Ein Passus lautet: „Übertragung des Kreditrisikos an Dritte/Befreiung vom Bankgeheimnis“. Wer das unterschreibt, stimmt dem Weiterverkauf des Kreditvertrages an Dritte zu. Fachterminus im Bankjargon: „Risikodiversifizierung des wirtschaftlichen Risikos der Kreditgewährung“.

Kommentar „Lebensmittel Praxis“:

„Damit der potenzielle Käufer des Kredites einen angemessenen Kaufpreis für den Kredit kalkulieren kann, muss er sich erstmal ein Bild von der wirtschaftlichen Situation von Frau M. machen. Ihr O.K. käme einer Aufhebung des Bankgeheimnisses gleich. Denn würde sie zustimmen, könnte ein Großteil ihrer persönlichen Daten einem externen Finanzunternehmen oder einer Kapitalanlagegesellschaft zugänglich gemacht werden, die ihrerseits wiederum die sensiblen Daten an andere Personen oder Unternehmen weiterreichen kann.“

Doch die Demütigungen reichen noch weiter:

„ Die Geldinstitute stellen immer höhere Ansprüche an die Prüfungen, die Steuerberater bei der Erstellung von Jahresabschlüssen der Betriebsinhaber durchführen, wenn es um die Kreditvergabe geht. Offenbar versprechen sich Banken und Sparkassen davon aussagefähige Informationen, die mit dem ihnen bereits vorliegenden Zahlenwerk abgeglichen werden können. So ergibt sich aus der Vielzahl der auf diesem Weg gewonnenen Daten ein je nach Einzelfall äußerst detailliertes Gesamtbild des Kunden.“

Nun ist die Zahlungsmoral von mittelständischen Kleinunternehmern nach allen Erfahrungswerten außerordentlich gut. Wozu also diese erkennungsdienstliche Behandlung von zuverlässigen Stammkunden?

Der virtuelle Bodycheck erreicht absurde Züge: 35-jährige Ladenbesitzer sollen ein „aussagefähiges Konzept über die künftige Unternehmensnachfolge“ vorlegen. Ja, nun, wird der Knirps auf dem Dreirad seinem Vater und der Bank jetzt bitte verbindlich erklären, ob er in dreißig Jahren den väterlichen Betrieb zu übernehmen gedenkt, oder nicht?

Doch, „Susanne M.“ ist kein Einzelfall. Es handelt sich um eine systematische Austrockung des mittelständischen Gewerbes. Das belegt auch der ansonsten kartellhörige DIHK in seinem Dossier:

Kreditprobleme trotz konjunktureller Zuversicht - Ergebnisse einer DIHK-Umfrage zur Unternehmensfinanzierung im Mittelstand Frühjahr 2004“

Der deutsche Industrie- und Handelskammertag hat zusammen mit dem angeschlossenen Netzwerk Mittelstand eine repräsentative Umfrage in o.g. Zeitraum unter 21.000 mittelständischen Unternehmen durchgeführt. Gefragt wurde danach, wie sich die verbesserten Konjunkturaussichten auf das Kreditvergabeverhalten der Banken ausgewirkt hat. Daß sich das Verhalten der Banken gegenüber ihren mittelständischen Kunden zum Nachteil verändert hat, ist nicht fraglich: „ In der öffentlichen Diskussion wird seit längerem eine restriktivere Haltung der Kreditinstitute bei der Gestaltung der Kreditkonditionen für Firmenkunden beklagt.“

Nun sollte man meinen, wenn die mittelständischen Unternehmen ihrem Kreditinstitut eine verbesserte Geschäftsperspektive glaubhaft machen können, dann würden sich auch die Kreditvergabe-Entscheidungen positiv auswirken. Schließlich hat die Europäische Zentralbank seit 2002 ihren Zinssatz dreimal gesenkt, was nach allgemeiner Auffassung die Konjunktur beleben sollte. Jedoch unter dem Titel: „Finanzierungsbedingungen weiter sehr angespannt“ berichtet das Dossier, daß Anfang 2004 ein Viertel aller befragten Betriebe eine schmerzhafte Verschlechterung ihrer Kreditbedingungen, und 3% sogar eine Stornierung ihrer Kredite hinnehmen mußten – nur 7% standen besser da als im Vorjahr.

Und auch hier triffts wieder die Kleinen: „ Für etwa je ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) und der ostdeutschen Betriebe sowie für 37 Prozent der Unternehmen des Baugewerbes haben die Kreditsorgen seit dem November 2002 abermals zugenommen.“

Es ist den Banken – entegen jeder geschäftsmännischen Logik – heutzutage vollkommen gleichgültig, ob der kreditsuchende Betrieb gute oder schlechte Geschäftsaussichten hat. Ja, selbst prall gefüllte Auftragsbücher können die Banker nicht erweichen: „Viele bonitätsschwache Unternehmen mit mäßiger Geschäftslage erhalten selbst dann Kredite nur zu schlechteren Bedingungen oder gar keine Kredite, wenn sie den Kreditinstituten gute Marktchancen im aufgehellten konjunkturellen Umfeld aufzeigen und gefüllte Auftragsbücher präsentieren können.“

Wer glaubt, daß Banken nur Geschäfte, aber keine Politik machen, wird eines Schlechteren belehrt. Die Kreditvergabekriterien, die hier offenkundig werden, haben nichts mehr mit kaufmännischer Vernunft zu tun, sondern modellieren eigenmächtig die Struktur unserer Gesellschaft .

Man vegegenwärtige sich, daß es bei den vom Handwerksmeister untertänigst erbetenen Kredittranchen um einige tausend Euro geht. Daß durch das Scheitern eines Maurermeisters und dem nachfolgenden Rückzahlungsausall – für den letzter Hand sowieso der Steuerzahler einstehen muß – das deutsche Bankensystem ins Wanken geraten könnte, ist ja wohl nicht anzunehmen. Wer jedoch als Handwerksmeister mit zwei Gesellen, einem Handlanger und zwei Azubis Holzbalken für einen Dachstuhl vorfinanzieren muß und das Geld von der Bank nicht bekommt, muß seinen Laden dichtmachen und seine Leute entlassen. Was bezwecken die Banken mit dieser mutwilligen Zerstörung des gesellschaftlichen Mittelbaus? Wenn zur gleichen Zeit Milliardenbeträge bei DaimlerChrysler oder Kirch versenkt werden?

Man vergegenwärtige sich, daß auch Spar- und Raiffeisenkassen mit ihren kleingewerblichen Kunden nicht besser verfahren als die privaten und die Gesellschaftsbanken. Diese ehemaligen Solidarkassen der kleinen Leute rechtfertigen ihr raues Kreditgebaren mit den Vorgaben von Basel II, nach denen auch sie sich zu richten hätten. Müssen sie das wirklich? Das sog. „Rating“, also die Abschätzung der Kreditwürdigkeit des Bankkunden, ist nach wie vor eine subjektive Entscheidung, eingerahmt in einen Kriterienkatalog. Daß Spar- und Raiffeisenkassen, die sich von der „Sparbüchse des kleinen Mannes“ zu vollwertigen Bankinstituten gemausert haben, sich so rigide verhalten, könnte bereits als ein Vorgriff auf die zu erwartende Privatisierung dieser Genossenschaftsbanken gedeutet werden.

Anstelle des auf persönlicher Vertrauensbasis abgeschlossenen Kreditvertrages zwischen dem seit Jahren persönlich bekannten Sachbearbeiter der Bank und dem Handwerksmeister nun also der Kreditvertrag als Spekulationsware für Geldwäscher.

Daß darüber bislang relativ wenig in der Öffentlichkeit gesprochen wird, hat zwei Gründe: erstens kann es sich kein mittelständischer Unternehmer, dessen geschäftliches Überleben auf der Kippe steht, erlauben, öffentlich über seine Bonitätsprobleme zu sprechen. Zweitens ist er Zwangsmitglied in den korporativistischen Industrie-, Handwerks- und Handelskammern.

Dort sind wie bei Adolf Unternehmen zusammengefaßt, die unterschiedlicher nicht mehr sein können, und die nur vereint, daß Gewinnerzielung ihr oberstes Ziel ist. Beherrscht werden diese Zwangskammern naturgemäß von jenen Kräften, die es sich leisten können, Verbandsfunktionäre auszubilden und abzustellen: die jeweils größten Betriebe. Das sind natürlich auch genau jene Kräfte, die im Zuge ihrer Expansion die kleineren Betriebe plattmachen werden.

Schlächter und Kälber sind also in ein und derselben Vertretungskörperschaft vereinigt. So vertreten sowohl DIHT als auch DIHK die Ideologie der Kartelle. Wenn die DIHK-Führung also immer wieder fordert, Löhne müßten gesenkt werden und die „Steuerprivilegien“ der Nachtschichtarbeiter müßten geschliffen werden, so bleibt jene Führung dem selbständigen Maurermeister die Antwort schuldig, wie dessen Kundschaft sich eine Sanierung oder einen Hausanbau leisten können soll, wenn sie noch weniger Lohn nach hause bringt.

Verwilderung und Kriminalisierung der Finanzmärkte

Ein weiteres Problem ist die Verwilderung der Finanzmärkte. Müntefering nahm den Unmut wahltaktisch auf durch seine „Heuschrecken“debatte. Tatsächlich findet sich in der Programmatik der Sozialparteien jedoch kein Anzeichen einer ernstzunehmenden Auseinandersetzung mit diesem überaus bedrohlichen Phänomen.

Unsere Zivilisation wird von den globalen Finanzmärkten im Handstreich geschliffen wie dereinst die Hochzivilisationen der Inkas durch die stinkenden, asozialen Konquistadorenhorden des Pizarro.

Um nur die wichtigsten Entwicklungen zu nennen:

  • Clearing, virtuelle Beschleunigung und Steueroasen;
  • Verlotterung des Buchprüfungs- und Revisionswesens bei großen Konzernen;
  • Junk Bonds, Future Bonds, Hedge Fonds usw.;
  • Verabsolutierung des Shareholder Values anstelle von Unternehmenszielen wie: zufriedene Kunden, konstruktives Betriebsklima, langfristiger Aufbau der Unternehmensstrukturen, Hege und Pflege des Umfeldes.
  • Eindringen krimineller Strukturen in den regulären Finanzmarkt (ist Folge von 1., muß aber wegen seiner Gefährlichkeit noch einmal betont werden!) Finanzierung und Etablierung des Terrorismus als ganz normale Wirtschaftsweise unter anderen.

siehe dazu ausführlicher: http://www.fsg-web.de/vorreferat_ploppa.htm

Das bedeutet für unser Leben: Zunehmender Verlust der Kontrolle, wer uns eigentlich regiert. Zerstörung städtischer und landschaftlicher Strukturen durch Geldwäsche-Investitionen. Kultureller Kahlschlag.

Geistig-seelische Enteignung

All diese radikalen Umwälzungen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung bedürfen selbstverständlich der geistig-mentalen Umkrempelung der zu Enteignenden. Schließlich werden mit dem Sozialstaatskredo, dem sozialen Frieden, dem Gebot logischer und gerechter Verteilung sowie gleicher Maßstäbe für alle, fundamentale Grundsätze des Selbstverständnisses dieser Gesellschaftsordnung im Handstreich über den Haufen geworfen.

Das ging nicht von einem Tag auf den anderen, sondern wurde Stück für Stück vorgenommen. Wenn man bedenkt, daß zu Montagsdemonstrationen, bei denen Grundsätze hochgehalten werden, die noch vor kurzem unhinterfragter Mainstream dieser Gesellschaft gewesen sind, lediglich einige hundert Menschen erscheinen, kann doch gesagt werden: die Gehirnwäsche hat fast hundertprozentig funktioniert.

Von Gehirnwäsche kann man bei der Vorbereitung der Volksenteignung ohne weiteres reden:

  • die Einführung von Privatrundfunk und Fernsehen. Die privaten Anbieter haben von vornherein einen Frontalangriff auf die Grundlagen der Vernunft gefahren. Zerhackte, rasend schnelle Sinnfetzen, das rasante Zusammensetzen von Inhalten, die eigentlich nicht zusammengehören; das Fehlen einer gedanklichen Systematik und Hierarchie. Verherrlichung von Gewalt und Terror; die Auffassung, daß Interessengegensätze nur mit Gewalt, am besten mit der Tötung des Kontrahenten zu lösen seien. Erzeugung von fundamentaler Existenzangst. Die Botschaft, daß man dem Mitmenschen auf der gleichen sozialen Ebene, auf der man sich selber befindet, niemals vertrauen darf, schon gar nicht mit ihm in irgendeiner Weise kooperieren darf. Denn der haut einem die Rübe ein. Stattdessen: sofort alles an die Polizei melden!

Erzeugung von Neid und Minderwertigkeitsgefühlen durch Werbespots. Erzeugung der Illusion, man könne eigene Defizite beheben, indem man sich ein bestimmtes Produkt kauft.

Dieser Verblödungsschub wurde nach und nach von den öffentlich-rechtlichen Anstalten nachvollzogen, sodaß man heute selbst bei Arte nicht mehr vor Werbespots und ewigen Clips sicher ist. Das Prinzip Bild-Zeitung durchdringt alle Medien.

Dieses ist oft gesagt worden, und immer wieder fanden sich käufliche Professoren, die verkündeten, das sei alles nicht so schlimm. Und schon verstummte die Kritik unterwürfigst.

Dabei ist längst erwiesen, daß psychosomatische Beschwerden zunehmen und sich direkt auf den verstärkten Konsum der destruktiven Medienkost zurückführen lassen. Jeder vierte Bundesbürger ist psychisch leidend. Vornehmlich sind es depressive Verstörungen. Die Selbstmordrate ist höher als die Rate der Verkehrsunfalltoten (solche Zahlen sind natürlich mit Vorsicht zu behandeln).

Seltsamerweise ist noch niemandem aufgefallen, daß genau seit der Einführung des Privatfunks und –fernsehens 1985 die politischen Widerstandsaktivitäten kontinuierlich abgenommen haben, und daß es heute keine alternative Subkultur (außer der Nazi-Subkultur) mehr gibt!

  • Richtige Gehirnwäsche fängt erst dann an zu wirken, wenn einem die lieben Verwandten und Bekannten die neuesten „Erkenntnisse“ aus den Medien als ihre eigenen Hirngewächse am Stammtisch zuraunen. Als Einfüllstutzen für solcherlei Erkenntnisse ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und ihr Souffleur, die Bertelsmann-Stiftung, Deutscher Meister. Wir erinnern nur an die Überalterungs“debatte“, den prognoszierten Krankenkassenkollaps, die zu hohen Lohnstückkosten etc.
  • Die Zerstörung der Sprache. Sprache ist ein unverzichtbares Werkzeug, um sich selber und anderen die Welt und ihre Bewegungsgesetze mit eigenständigen Gedanken erklären zu können. Um uns diese Werkzeug zu erschaffen, haben Generationen von Kopfarbeitern von Walther von der Vogelweide über Luther, den Aufklärern bis zu Thomas Mann Schwerstarbeit geleistet. Ohne Not wird dieses Werkzeug weggeschmissen. Stattdessen wird uns ein debiles Gebräu aus falschem Englisch und falschem Deutsch um die Ohren gehauen – Denglisch.

Eine vollkommen überflüssige und funktional vollkommen verfehlte „Rechtschreibreform“ ergänzt die babylonische Verwirrung. Für jeden wahrnehmbar wird es immer schwieriger, sich über einfachste Sachverhalte zu verständigen. Sprache wird als Bedrohung, Last und Überforderung empfunden, nicht als Einladung zum kreativen Spiel mit den eigenen Gedanken und Erfahrungen. Auch aus diesem Grunde ist Politik machen so unendlich öde, einfallslos und traurig geworden. (Ich versuche übrigens ganz bewußt, in diesem Aufsatz weitgehend auf Fremdwörter zu verzichten, denn die deutsche Sprache hält fast für alles die passenden Wörter bereit).

  • Die Verleumdung von Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft als „Gutmenschentum“ durch hoffnungslos überbezahlte Hofnarren wie z.B. Harald Schmidt. (Gottlob flaut dieser Trend spürbar ab).
  • Diese Auflistung ist beileibe nicht vollständig!

Sind die Gedanken in unserem Kopf noch unsere eigenen Gedanken, oder gehören sie den Kartellen?

Daß etwas mit unserer Mentalität nicht stimmt, zeigt folgendes Beispiel: Im Jahre 1880 mußten Arbeiter noch im Schnitt 12 Stunden am Tag arbeiten, sechs Tage die Woche, ohne irgendwelchen Urlaub. Anderthalb Zimmer für eine Familie, Scheißhaus für sechs Mietparteien auf dem Hinterhof. Hohe Frauen- und Kindersterblichkeit. Die meisten Malocher soffen sich mit 45 zu Tode. Eine Reihe von Arbeitern nutzte ihre Freizeit (wo nahmen sie die bloß her?) jedoch, um Arbeiterbildungsvereine, Bauvereine, Gartenvereine, Gewerkschaften und nebenbei noch die SPD aufzubauen. Und das, obwohl aus ihrer Sicht so gut wie gar keine Chancen vorhanden waren, die Lage der Arbeiter jemals nachhaltig bessern zu können. Die Lage war aus damaliger Sicht eindeutig hoffnungslos. Diese Unverwüstlichen haben dennoch die Grundlagen für unseren heutigen Wohlstand gelegt.

Und wir? Warum sitzen alle zuhause herum und jammern, man müßte was tun, aber letztlich kann sich doch kaum jemand aufraffen, abends noch einmal aus dem Haus zu gehen, um eine relativ leicht zu bewerkstelligende politische Arbeit auf den Weg zu bringen? Wir sind ja alle so fertig, so müde, und es hat ja doch alles keinen Zweck, die da oben machen ja doch, was sie wollen brabbel brammel ...

Sind wir bescheuert?

 

Konsequenzen für eine neue Politik

Ich habe in diesem Aufsatz bewußt das Augenmerk auf den gewerblichen Mittelstand gelenkt. Das bedeutet keineswegs, daß die Anliegen der Abhängig Beschäftigten unberücksichtigt bleiben sollen. Jedoch gilt es, das Mißverständnis auszuräumen, Interessenvertretung für den Mittelstand sei eine Domäne der politischen Rechten.

Das liegt nicht nur an der rhetorischen Besetzung der Mittelstandsthemen durch CDU/CSU und FDP. Das hat, wie ich zu zeigen versuchte, auch seinen Grund darin, daß alle selbständig Beschäftigten von den Zwangskammern DIHT und DIHK vertreten werden. Diese Zwangskammern prägen den unzutreffenden Eindruck, ihre gesamte Mitgliedschaft stünde ideologisch auf dem Boden der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Wer als Kleinunternehmer ständig mit dem Überleben seines Betriebes beschäftigt ist, kann sich nicht in die Verbandspolitik einmischen und den falschen Eindruck korrigieren helfen.

Aber nicht erst seit der Erfindung der „Ich-AGs“ und der Scheinselbständigkeit gehört ein großes Segment der Selbständigen eher „proletaroiden“ Lebenszusammenhängen an, wie es Franz Neumann für die Dreißiger Jahre bereits formuliert hat.

Zudem regt sich neuerdings Widerspruch gegen die Anmaßung der Kammerfunktionäre, weltanschaulich für die zwangsweise ihnen zugeordneten Mitglieder zu sprechen. Die Unternehmer im Bereich regenerative Energie haben jetzt juristische Schritte und Beitragsboykott angedroht, sollten die Funktionäre der DIHK weiterhin einseitig für die Kernkraft Partei ergreifen.

Mein erster Vorschlag zielt also darauf, sich den Problemen des gewerblichen Mittelstands zu öffnen und entsprechende Politikansätze zu unterstützen.

Das bedeutet, daß auf die verheerenden Folgen von Basel II aufmerksam gemacht wird. Bestrebungen sind zu unterstützen, kleine Gewerbetreibende in eigenen Verbänden zu organisieren.

Das betrifft auch die Landwirtschaft. In Frankreich haben Vertreter der bäuerlichen Landwirtschaft bereits einen eigenen Verband im Kontrast zu dem Verband der industriellen Landwirtschaft gegründet.

Was können „wir“ überhaupt leisten?

Es wäre vollkommen verfehlt, komplette Welterklärungen oder komplette Lösungsmodelle anbieten zu wollen. Sinnvoll ist es dagegen, die verschiedenen Anregungen in der Gesellschaft wahrzunehmen, sie an andere Nischen der Gesellschaft zu vermitteln. Bewußt machen, wo isolierte Ansätze in verschiedenen Segmenten Gemeinsamkeiten besitzen, und wo sie sogar das Zeug zu einer gemeinsamen tragfähigen Bewegung besitzen.

Nehmen wir als Beispiel die in diesem Aufsatz benannten Übelstände:

Da sind als international agierende Störkraft die Kartelle. Kartelle werden in Europa traditionell unterschätzt, ganz im Gegensatz zu den USA, wo der Kampf gegen die Kartelle bereits 1890 das Antikartellgesetz Sherman Act erzwungen hat. Das gesamte Zwanzigste Jahrhundert war geprägt von dem Fingerhakeln zwischen den internationalen Kartellen und auf der anderen Seite dem Staat, unterfüttert von den genossenschaftlichen Strukturen. Lange hat sich der Staat als heterogene Gemeinschaft wacker behaupten können.

Seit 1980 sind aber die gewählten Politiker selber eifrigst dabei, alle Fundamente politischen Handelns zu zerschlagen. Seitdem nimmt auch die Lebensqualität der gewöhnlichen Menschen kontinuierlich ab. Kartelle blockieren jeden Wettbewerb, jede wirkliche Innovation. Produziert und verkauft wird nur noch das, was die Kartelle in ihrem Zwang zu immer weiterer Expansion unbedingt verkaufen müssen: wir bekommen also so etwas Überflüssiges wie Handys mit Fernseher u.ä. Dagegen hat sich die Eisenbahntechnologie seit 1850 nicht grundlegend weiterentwickelt, und auch die heutigen Autos funktionieren im Prinzip wie Autos von 1940.

Zu demaskieren ist das ewige Gerede vom Neoliberalismus als Weg zu einem wirklich freien Wettbewerb.

Es gibt keinen freien Wettbewerb. Alles Lüge. Potemkinsche Dörfer!

Auch in Deutschland muß endlich der Blick auf die Kartelle gerichtet werden. Selbst in glaubwürdigeren Zeitungen liest man immer wieder, dank unseres famosen Kartellamtes seien Kartelle bei uns kein großes Problem mehr. Tatsache ist: wenn Kartellamtschef Ulf Böge versucht, einem wirklich großen Kartell an den Kragen zu gehen, pfeift ihn garantiert der/die BundeskanzlerIn umgehend zurück. Böge muß sich mit der Ahndung von Preisabsprachen bei Türklinkenherstellern zufrieden geben.

Das Gaskartell hat es nun wahrlich zu toll getrieben. Die Lebenslüge, der Gaspreis sei an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt, glaubt schon lange keiner mehr. Mittlerweile zahlen eine halbe Million Gaskunden die neuesten Preisaufschläge der vier deutschen Energiekartellisten nicht mehr. Über diesen Widerstand sind ganz neue Nachbarschaftskontakte entstanden. Diese Menschen versammeln sich in Bürgergruppen.

Und so hat auch die Dreistigkeit der Energiekartelle ihr Gutes:

noch nie haben so viele Mitbürger ein echtes Interesse an erneuerbaren Energien bekundet und fangen an, eigene Kollektoren, Repeller und Zellen zu basteln. So schlägt der Defensivkampf gegen den schamlosen Griff in unsere Brieftasche in Offensivkraft um: in manchen Gemeinden haben sich 100 % der Einwohner gegenseitig verpflichtet, bis zu einem Stichtag ihren Energiebedarf ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen selber herzustellen.

Dann heißt es für E.ON und Co: wir müssen leider draußen bleiben!

Auch für die gefährdeten Mieter in den (noch) gemeinnützigen Wohnungen bilden sich erste neue Genossenschaften zum Ankauf der verhökerten Wohnungen. Billiger wäre aber, man würde einen solchen Lärm entfachen, daß die Städte vor Schreck lieber die zu verkaufenden Wohnungen in gemeinnütziger Hand belassen.

Und was haben wir damit zu tun?

Diese Aktivitäten regen sich vollkommen verstreut über die Republik, und die MacherInnen wissen oftmals nichts voneinander. Wir sind Makler, Kommunikationsdienstleister. Wir stellen Verbindungen her, ermitteln, wie die erfolgreichen Aktionen sich auf andere Bereiche umsetzen lassen, laden zu Arbeitstreffen ein. Stellen Zusammenhänge zu internationalen Bestrebungen her. Gegenüber Einpunkt-Gruppen wie Greenpeace oder Human Rights Watch sind wir diejenigen, die den größeren Zusammenhang zwischen diesen Einpunkt-Bewegungen herstellen.

Sollten sich dann mal Mandate für uns auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene ergeben, erweitert sich das Aufgabenfeld um den Bereich: Bürgerlobby.

Bis dahin allerdings gibt es viel Aufklärungsarbeit zu leisten: Das ganze Ausmaß der Gefährdung unserer Zivilisation aufzeigen.

Und darum ist unsere Arbeit wichtig.

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Zusätzliche Materialien

Der Genfer Appell wurde 1996 von sieben Staatsanwälten und Richtern aus verschiedenen europäischen Ländern veröffentlicht, um in aller gebotenen Deutlichkeit auf die Gefahren, die der europäischen Zivilisation durch verwilderte Finanzmärkte drohen, hinzuweisen. Dieser Notruf wurde erforderlich, weil sich die sieben Rechtspfleger in ihrem Bemühen, Drogendealer, Waffenschieber und Geldwäscher vor Gericht zu bringen, immer wieder von den jeweiligen nationalen Regierungen erheblich behindert und unter Druck gesetzt sahen.

Der Genfer Appell erregte in den französischsprachigen Ländern ein gewisses Aufsehen. In Deutschland wurde er vollkommen totgeschwiegen. Das zeigt sich schon an der Tatsache, daß ich den Text nur mit großer Mühe aus dem Internet fischen konnte. Mit meinen kärglichen Französischkenntnissen mußte ich ihn ins Deutsche übersetzen, weil es nicht einmal eine deutsche Übersetzung gab.

Man möge mir also die dürftige Übersetzungskunst nachsehen und sich auf den Inhalt konzentrieren:

EL'appel de Genève Conseil

Der Genfer Appell

Das Europa des Vertrags von Rom, des Schengener Abkommens, des Maastrichter Vertrags: im Schatten (jedoch) dieses sichtbaren Europas im Aufbau, offiziell und beachtenswert, versteckt sich ein anderes Europa, das weitaus verschwiegener und weniger bewundernswert ist. Es ist das Europa der Steuerparadiese, die ohne Scham aufblühen dank der Kapital(flüsse), denen sie einen angenehmen Fluchtort bieten. Es ist auch das Europa der Finanzplätze sowie der Bankinstitute, wo das Geheimnis allzu oft ein Alibi und ein Schutzschirm ist.

Dieses Europa der Nummernkonten und der Geldwaschanlagen wird benutzt, um Geld aus Drogenhandel, Terrorismus, Sektenwesen, Korruption und Mafia-Aktivitäten (in den Kreislauf) zurückzuführen. Die verborgenen Kreisläufe, geborgt von den verbrecherischen Organisationen, sogar in vielen Fällen kriminelle, entwickeln sich in der selben Geschwindigkeit, in der die internationalen Finanzwechselplätze explodieren, und in der die Unternehmen ihre Aktivitäten vervielfachen und ihre Firmensitze jenseits der nationalen Grenzen verschieben. Gewisse Personen und gewisse politische Parteien haben selber bei diversen Gelegenheiten von diesen Kreisläufen profitiert. Außerdem haben sich die politischen Autoritäten aller betroffenen Länder bis heute als unfähig erwiesen, dieses Schatteneuropa klar und wirkungsvoll anzupacken. Im Zeitalter der Informationsnetze des Internet, von Modem und Fax, kann das betrügerische Geld mit großer Geschwindigkeit von einem Konto zum anderen zirkulieren, von einem Steuerparadies zum anderen, unter dem Deckmantel der Offshore-Gesellschaften, anonym, kontrolliert von respektablen Treuhändern, die großzügig bezahlt werden.

Dieses Geld wurde sofort außerhalb jeder Kontrollmöglichkeit investiert. Die Straflosigkeit ist den Betrügern heutzutage praktisch garantiert. Im Lauf der Jahre wird es tatsächlich für die Justiz jedes europäischen Landes notwendig, die Spuren des Geldes zurückzuverfolgen. Dieses erweist sich als nahezu unmöglich innerhalb des jetzigen Gesetzesrahmens, der ererbt wurde aus einem Zeitalter, als die Grenzen für Personen, Güter und Kapital noch eine Bedeutung besaßen. Um eine Chance zu haben im Kampf gegen eine Kriminalität, die wesentlich von gültigen Regulierungen in den unterschiedlichen europäischen Ländern profitiert, ist es dringend geboten, die erlassenen Schutzbestimmungen in polizeilichen und juristischen Angelegenheiten abzuschaffen. Es ist unbedingt notwendig, einen wahren europäischen Rechtsraum einzurichten, in dessen Mitte die Beamten arbeiten ohne Hindernisse, abgesehen von den rechtsstaatlichen Begrenzungen, wo sie nachforschen und nützliche Informationen austauschen können für Untersuchungen der Gerichtshöfe. Wir fordern die Inkraftsetzung des Schengener Abkommens, das die direkte Übermittlung von internationalen Rechtshilfeersuchen und deren Untersuchungsergebnissen zwischen Richtern vorsieht, ohne Einmischung durch die exekutive Macht und ohne Zuflucht in diplomatische Kanäle.

Wir wünschen im Namen der Gleichheit aller Bürger unter dem Gesetz die Unterzeichnung der internationalen Konventionen zwischen den europäischen Ländern : daß die Lüftung des Bankgeheimnisses entsprechend den Forderungen nach internationaler gegenseitiger Zusammenarbeit betreffend der Strafangelegenheiten garantiert wird, wie sie hervorgebracht werden von den Rechtsinstanzen der jeweiligen Unterzeichnerstaaten, da, wo das Geheimnis eingefordert werden könnte;

Die Konvention, unterzeichnet von den Mitgliedsstaaten des Europarates, jedoch noch nicht gegengezeichnet von den Parlamenten der betroffenen Länder, und deswegen auch noch nicht angewandt. Das würde nämlich jedem europäischen Richter erlauben, sich direkt an jeden anderen europäischen Richter zu wenden. Das würde die sofortige und direkte Übermittlung des Ergebnisses von angeforderten Untersuchungen im Zusammenhang mit internationalen Rechtshilfeersuchen vorsehen, wobei nicht all jene internen Dienstwege inmitten des zuständigen Staates im Wege stehen. Das schließt die Verstärkung der gegenseitigen administrativen Unterstützung in fiskalischen Dingen ein. In diesem Zusammenhang schlagen wir für jene Länder, in denen es eine solche Vorrichtung noch nicht gibt, die Einrichtung eines neuen Straftatbestandes „Steuerverbrechen“ vor für solche Fälle, wo der Betrug eine erhebliche Größenordnung erreicht und wo man sich betrügerischer Manöver bedient hat, um die Wirklichkeit zu verfälschen.

In diesem Sinne appellieren wir an die betreffenden nationalen Parlamente und Regierungen: die Straßburger Konvention vom 8. November 1990 zu ratifizieren, die sich auf Weißwaschung bezieht und Aufspüren, Pfändung und Einziehung von Produkten aus kriminellen Handlungen vorsieht: die europäische Konvention über die gegenseitige richterliche Unterstützung in Strafangelegenheiten zu überarbeiten, unterzeichnet in Straßburg am 20. April 1959: die nützlichen Maßnahmen zu ergreifen im Sinne eines effektiven Werks gemäß der Anordnungen des Abschnitts VI des Vertrags der Europäischen Union vom 7. Februar 1992 sowie des Artikels 209 A des selben Abschnitts; eine Konvention zu verabschieden, die die Möglichkeit einer Strafverfolgung von Staatsbürgern vorsieht, die sich der Korruption ausländischer Staatsautoritäten schuldig gemacht haben. Mit diesem Appell wünschen wir einen Beitrag zu leisten für den Aufbau eines Europas, ganz im Selbstinteresse unserer Gemeinschaft, das gerechter und sicherer ist; wo Betrug und Verbrechen keine Straflosigkeit auf breiter Front mehr genießen und wo die Korrption tatsächlich ausgemerzt sein wird. Es geht um eine Zukunft der Demokratie in Europa und eine echte Garantie der Bürgerrechte ist der Preis.

Bernard Bertossa, Edmondo Bruti Liberati, Gherardo Colombo, Benoît Dejemeppe, Baltasar Garzón Real, Carlos Jiménez Villarejo, Renaud Van Ruymbeke

 

www.Gesellschaft-und-Visionen.de

 

 
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