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Wirtschaft
 

„Die Macher hinter den Kulissen – Wie INSM, Atlantik-Brücke, Aspen-Institute und ähnliche Netzwerke Deutschland heimlich regieren“

von Hermann Ploppa im Februar 2007 © alle Rechte beim Autor

 

Vorwort

Diese Studie bietet keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse.

Sie stellt vielmehr die wichtigsten Befunde der letzten Jahre zu einem Menue zusammen für Leute, die sich um den Fortbestand unserer Kultur und Zivilisation große Sorgen machen, und die darüber nachdenken, wie man das Solidarische Prinzip, das unserer Verfassung und unserer Gesellschaftsordnung immer noch zugrundeliegt, nicht nur retten, sondern auch ausbauen kann. In der Flut unserer Informationsgesellschaft stellt sich jeder interessierte Mitmensch sein eigenes Menue von Detailinformationen zusammen, und es wird immer schwerer, noch einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Das ist eben auch der Grund, warum so viel wirklich Kluges über die Anatomie unserer Misere schon gesagt worden ist, sich aber dennoch keine konzentrierte Gegenkraft gegen die gewollte Verwahrlosung unserer Politik, Wirtschaft, Kultur, und darauf folgend: des menschlichen Miteinanders bildet. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung weder den Neoliberalismus/Marktradikalismus noch die enge Zusammenschweißung mit der hochriskanten Politik der Vereinigten Staaten von Amerika wünscht, gelingt es einer kleinen radikalen Minderheit, genau diese verheerenden Weichenstellungen durchzusetzen.

So niederschmetternd die zusammengeführten Befunde meiner Studie sind, so kann nur aus der Erkenntnis der raffinierten Vernetzungen und der Tricks dieser radikalen Minderheit zu einer erfolgreichen Gegenstrategie führen. Dann erkennt man auch die Nacktheit des marktradikalen Kaisers. Und nur dann kann man auch erfolgreich dagegen arbeiten. Die Marktradikalen haben schon einmal, in den Zwanziger Jahren, den Karren in den Dreck gefahren. Die Folge war zum einen der Faschismus, zum anderen aber auch eine Stärkung der Politik des Gemeinwohls – durch Stärkung staatlichen, kommunalen, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Eigentums in der Politik des New Deal unter Franklin Delano Roosevelt.

Lateinamerika wurde vierzig Jahre von den Marktradikalen in den Dreck gefahren. Augenblicklich schickt Lateinamerika die Marktradikalen nach hause und geht einen ähnlichen Weg wie Roosevelt.

Genau das oder Ähnliches haben wir für Europa zu leisten!

Diese Studie geht aus einem Referat hervor. Es ist die Arbeit eines vereinzelten besorgten Mitmenschen. Kein üppig besoldetes hochqualifiziertes Team hat hier Korrekturarbeit und Gegenlesen übernommen. Ich bitte also um Nachsicht, daß sich auch hier sachliche Fehler eingeschlichen haben könnten. Dieser Text soll zur vertieften Recherche zum Thema anregen. Soll der Ausgangspunkt einer gemeinsamen Suche nach den wirklichen Bewegungsgesetzen unserer Malaise sein und von dort aus, das Gemeinschaftswerk für Wege aus eben dieser Krankheit darstellen.

Von daher bin ich jederzeit für Berichtigungen, sachliche Kritik und Ergänzungen dankbar.

Hermann Ploppa h.ploppa@gmx.de Februar 2007

 

Zusammenfassung

Wer verstehen will, wie politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, ist zunächst auf die Spitze des Eisbergs verwiesen: Politiker, Verbandsfunktionäre oder Gewerkschaftsführer. Die eigentlichen Beeinflusser und Entscheider befinden sich jedoch hinter der schützenden Fassade der Tagespolitik. Hinter der Fassade befinden sich Netzwerke, die seit Jahrzehnten planmäßig die Eliten beeinflussen und steuern. Sie arbeiten daran, in der Wissenschaft das Paradigma durchzusetzen, zum Dogma des Marktradikalismus gäbe es keine Alternative. Marktradikalismus: so wenig Staat wie möglich, so viel Markt wie möglich. Die Massenbeeinflussung durch Medien wird zentral in diesem Sinne orchestriert.

Was Deutschland betrifft, gibt es zwei Haupt-Stoßrichtungen: 1. die Enteignung des Gemeineigentums, flankiert vom Marktradikalismus. 2. die Anbindung Deutschlands und Europas an die USA.

Deutschland ist für diese Attacken eine besonders harte Nuß. Hier gilt es, gigantisches genossenschaftliches, öffentlich-rechtliches, kommunales und staatliches Eigentum zu enteignen und dem Risikokapital zuzuführen.

Und das ist noch nicht alles: das Zusammenwirken aus Marktradikalismus und US-Lobbyismus stößt auf eine sich exponentiell entfaltende weltweite Risikokapitalszene, die durch die Fahrzeuge: Clearingstellen, Steueroasen und Internet auf die Dauer jede staatliche Gestaltung zunichte macht. Hedge Fonds, die sog. „Heuschrecken“ sind besonders gefährliche Parasiten.

Inhaltsverzeichnis

1.1. Demokratie, Öffentlichkeit und halbgeheime Verbindungen
1.2 Schichtungen und Schachtelungen der diskreten Macht

2. Zum ersten Themenkomplex, der Umwälzung der Sozialstruktur
2.1 Marktradikalismus
2.2 Versuchslabor Chile
2.3 Harte Nuß Deutschland
2.4 Kampagnen ab 1998
2.5 Weitgehend unbemerkt und darum so mächtig: Bertelsmann AG/Stiftung
2.6 Öffentlich Private Partnerschaften

3. Außenpolitik und/oder Bündnispolitik
3.1 Atlantikbrücke, ACG, Aspen Institute
Themenkasten: Beispiel Pro-USA-Rezensionskartell
3.2 German Marshall Fund, DGAP, SWP
3.3 Die Transatlantischen Runden Tische
Themenkasten: Elmar Brok
3.4 Zentrum der Macht: Monopole, Kartelle und Risikokapital
Themenkasten: Hedge Fonds und Politik in den USA
3.5 Clearing, Steueroasen und andere Zivilisationskiller

4. Schlußbetrachtung

Fußnoten

Literatur zum Thema

1.1. Demokratie, Öffentlichkeit und halbgeheime Verbindungen

Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit Gruppen und Netzwerken,

  • die entweder im Verborgenen wirken;
  • oder die ganz vorne auf der Bühne stehen;

und wo man sich fragt, warum in den Medien zu einem bestimmten Themenkomplex immer nur diese wenigen auserwählten Leute als Experten befragt werden:

„Hier ist der Biedermannfunk mit den Informationen am Mittag. Die Beziehungen zwischen Europa und den USA sind zur Zeit ein wenig verschnupft. Woran das liegt, und wie man die Beziehungen wieder verbessern kann, darüber sprechen wir jetzt mit Karsten Voigt (oder wenn der Schnupfen hat: ersatzweise mit Hans-Ulrich Klose) ... der europäische Einigungsprozeß kommt nur schleppend voran. Woran das liegen kann, darüber sprechen wir jetzt mit Elmar Brok ... Die demographische Krise bedroht die gesetzlichen Rentenkassen. Was man dagegen tun kann, darüber sprechen wir jetzt mit Herrn Prof. Raffelhüschen ... Die IG Metall fordert erneut Lohnerhöhungen über fünf Prozent. Kann unsere Volkswirtschaft das noch verkraften? Darüber sprechen wir jetzt mit Professor Hans Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut ... usw.“ 

Was wir wissen: Diese Leute haben einen bürgerlichen Beruf und sie haben eine Funktion.

Was wir aber nicht wissen: diese Leute gehören einem hochwirksamen Netzwerk an, von dem wir nichts erfahren, wohl auch nichts erfahren sollen.

Diese Netzwerke oder Gruppen kann man neutral als <<Interessengruppen>> oder neudeutsch: <<Pressure Groups>> bezeichnen.

„Pressure“ aus dem Englischen heißt soviel wie: „Druck“.
Welchen Druck üben diese Leute aus, und auf wen, bzw. gegen wen oder was?
Diese Damen und Herren scheuen sich, ihre Mitgliedschaft in einer Druck-Gruppe der Öffentlichkeit zu bekennen.
Aber: Öffentlichkeit ist das A und das O jeder demokratischen Gesellschaft.

Warum?

Weil im Gegensatz zu grauen Vorzeiten in diesem Staat nicht ein König der oberste Souverän ist – derjenige also, der das letzte Wort hat –, sondern wir, das Volk, sind der oberste Souverän. Wir entscheiden nach dem Mehrheitsprinzip, was gemacht wird. Und damit sich keiner überfahren oder ausgeschlossen fühlen muß, sind Entscheidungsprozesse bei uns grundsätzlich öffentlich zu vollziehen; und wenn Entscheidungen gefallen sind, dann muß jeder Bürger ungehindert nachvollziehen können, wie Entscheidungen zustande gekommen sind.

Das heißt:

Entscheidungsfindung und Entscheidungen müssen öffentlich sein!

Daß bei uns Pressure Groups an der Öffentlichkeit vorbei Entscheidungen ausmauscheln, unterhöhlt die Demokratie nachhaltig.

Wie macht man das: Entscheidungen erzwingen, die die Mehrheit eines Volkes nicht will?

  1. Man installiert ein totalitäres Gewaltregime. Die Mächtigen und Reichen dieser Welt haben das im 20. Jahrhundert an vielen Plätzen dieser Welt ausprobiert. Es zeigte sich bei jenen Laborexperimenten: es ist nicht möglich, die Widersacher restlos zu vernichten und stillzulegen. Oft erholten sich die Widersacher und kamen gestärkt wieder. Außerdem leisten die Menschen weniger, wenn sie mit offenem Druck gezwungen werden. Stille Obstruktion und Sabotage brachten jedes Terrorsystem auf die Dauer zum Systemzusammenbruch.
  2. Man hat daraus gelernt und ist zu dem Schluß gelangt, daß Renditen und sonstige Erträge wirtschaftlicher Tätigkeit in einer Offenen Gesellschaft besser zu erlangen sind. Die Menschen sind scheinbar frei, ihr Leben selber zu gestalten. Die Menschen sind besser motiviert, und der Output ist entsprechend höher. Und wenn jemand strauchelt, wird er nicht das System verantwortlich machen, sondern ausschließlich sich selber.

Wenn nun also kein Weg an der Offenen Gesellschaft vorbeiführt, wie erzwingt man in einer Offenen Gesellschaft Entscheidungen, die die Mehrheit nicht will:

  1. Man beeinflußt die Eliten;
  2. man manipuliert die Massen durch Kampagnen.

Die Gruppen, die diese Wege beschreiten und damit die Öffentlichkeit hintergehen, wissen aber aus leidvoller Erfahrung, was der Volksmund folgendermaßen in Worte zu gießen weiß:

„Es ist nichts so fein gesponnen,
es kommt doch an das Licht der Sonnen!“  

Man gründet deshalb ganz offiziell Vereine, Stiftungen und Clubs, und gibt diesen einen wohltätigen Anstrich. Gemeinnützigkeit erleichtert zudem das Eintreiben von Spendengeldern und spart Steuern.

1.2 Schichtungen und Schachtelungen der diskreten Macht  

Immer wieder neue Gruppen der Wohltätigkeit werden seit vielen Jahrzehnten bereits gegründet, und es entstehen regelrechte Schichtungen – Generationen von „wohltätigen“ Pressure-Groups.
Was wir zu sehen bekommen, ist nur die oberste Schicht einer Zwiebel oder vielleicht: die Erdkrume, unter der immer ältere Erdschichten gelagert sind, bis man im glühenden Erdkern angelangt ist.

Erdkrume: die Gestalten, die wir in den Medien immer wieder sehen. Prominente Politiker aus Regierung und Opposition, Parlamentarier, Spitzenkräfte aus Verbänden, berühmte Presse- und Fernsehleute.

Darunter: das eine oder andere dringt zu uns über parteinahe Stiftungen oder kirchliche, ökologische und soziale Stiftungen.

Darunter: nur noch hochgradig Interessierten bekannt: geistige Zentren, Denkfabriken, Think Tanks; aber auch Werbeagenturen, sogenannte PR-Agenturen;

Darunter: auserlesene Runde Tische mit sehr mächtigen Industriekapitänen und Bankdirektoren.

Darunter: große Kartelle und Konzerne aus dem Energiebereich, sowie – mit zunehmender Tendenz – Finanzmakler aus dem spekulativen Risikokapitalsektor – Hedge Fonds z.B. Das ist der glühende Erdkern.

Schauen wir uns die Pressure Groups in Deutschland an. Hier gibt es zwei ganz große Tätigkeitsbereiche:

  1. das eine ist die Sozialpolitik. Von Infas bis Allensbach sind alle Meinungsforscher in ihren Befragungen zu dem Ergebnis gelangt: die Mehrheit der Deutschen will eine soziale Demokratie. Aus Sozialismus und Kapitalismus sollen die Filetstücke entnommen und zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden. Die kleine mächtige Minderheit der Pressure Groups will aber eine marktradikale Gesellschaft mit so gut wie keinem Staat und freier Fahrt für den Verdrängungswettbewerb zum optimalen Reichtum – auf Kosten der Mehrheit.
  2. das andere Gebiet umfaßt die deutsche Außenpolitik, oder auch: Bündnispolitik. Die Mehrheit der Deutschen möchte ein unabhängiges Europa, das sich von den „Abenteuern“ der USA fernhält, und mit allen Machtblöcken gut auskommt. Die reiche und mächtige Minderheit will jedoch die vollständige Anbindung und unwiderrufliche Verschweißung Europas mit den USA.

Im Folgenden stelle ich die wichtigsten Akteure der beiden Überrumpelungsstrategien vor.

2. Zum ersten Themenkomplex, der Umwälzung der Sozialstruktur.

2.1 Marktradikalismus

Die Gruppen, die diesen Kurs verfolgen, nennt man etwas hilflos „Neoliberale“. Ich bevorzuge den Begriff: „Marktradikale“.

Der Marktradikalismus/Neoliberalismus ist alles andere als neu.

Es gab bereits im 18. Jahrhundert die Theorie des laissez-faire“. Das heißt: der Staat soll die Wirtschaft mal schön in Ruhe lassen und die Geschäftsleute machen lassen. Dann regelt sich alles von selber: Angebot kommt ganz naturwüchsig zur Nachfrage. Und wenn jeder an sein eigenes Wohl denkt, dient er dem Gemeinwohl (Adam Smith). Ganz automatisch. Wenn der Staat sich in das Wirtschaftsgeschehen einmischt, dann kommt es zu Verzerrungen, und das schöne naturgewachsene Gleichgewicht ist dahin.

An den Grundzügen dieser Weltanschauung hat sich bis heute nicht viel geändert. Und daß sich gerade durch die Befolgung dieser laissez-faire-Rezepte in den USA Monopole und Kartelle ganz naturwüchsig bildeten, die erst der Staat erneut entflechten mußte, damit sich wieder ein halbwegs fairer Wettbewerb ergeben konnte, das hat die Marktradikalen nicht weiter beunruhigt.

Das Konzept des Marktradikalismus verkam zur Ideologie: ungeachtet tatsächlicher Entwicklungen im immer größer werdenden Wirtschaftsraum (Nämlich: durch eben das freie Walten und Wirken der Konkurrenz auf dem Markt der Sieg der Stärksten und damit - immer mehr Monopole und Kartelle) predigte man, der Staat solle sich darauf beschränken, sichere Vertragsbedingungen und Schutz vor Diebstahl und anderen Störfaktoren eines freien Geschäftslebens zu garantieren: der Nachtwächterstaat wurde und wird gefordert.

Diese Politik wurde von vielen Regierungen in den Zwanziger Jahren durchgeführt – mit den bekannten Effekten: Börsenkrach von 1929, Massenarbeitslosigkeit und Firmenpleiten, besonders im mittelständischen Gewerbe. Die Regierung Roosevelt hat dann eine radikale Kehrtwende herbeigeführt und den Kapitalismus durch Stärkung des Staates und der Genossenschaften vor sich selber gerettet.

Zum Leidwesen der Marktradikalen war der Trend der Fünfziger und Sechziger Jahre eindeutig: mehr Staat, mehr soziale Verantwortung; die Ausgegrenzten und Schwachen mitnehmen und teilhaben lassen an den Errungenschaften der Zivilisation. Sowohl die Volksmeinung in den Industriestaaten als auch die Mehrheit in den wissenschaftlichen Eliten waren sich einig: zur Integration und zum solidarischen Prinzip gibt es keine Alternative. Der Präsident der USA, Lyndon Baynes Johnson, konnte bei der Präsidentschaftswahl 1964 mit seinem Konzept der „Great Society“ beinahe zwei Drittel der Wähler hinter sich bringen.

Die Marktradikalen blieben nicht untätig.

Sie alarmierten die Eliten – die Reichen und die Mächtigen; und sie konnten erkleckliche Summen zusammenbringen. Allein der Milliardär Richard Mellon Scaife spendierte 600 Millionen Dollar aus seiner Portokasse, um das Ruder herumzureißen.

Eine Unzahl von Denkfabriken und Propagandagruppen schoß aus dem Boden. Sie gediehen zum Teil auf dem Humus christlichen Volksglaubens, zum Teil auf der Arroganz der Mächtigen und Reichen, die nicht mit den ärmeren Bevölkerungsgruppen teilen wollten. Heute sind die USA flächendeckend überzogen mit neokonservativen, marktradikalen und christlich-fundamentalistischen Netzwerken und Pressure Groups. „Liberal“ ist mittlerweile ein Schimpfwort, und auch die gemäßigteren Demokraten müssen sich auf die Neocons berufen, wenn sie nicht im Abseits landen wollen.

Die Marktradikalen planen und agieren weltweit.

Sie gehen strategisch vor. Und sie arbeiten ihre Ziele Etappe für Etappe ab. Auch wenn die Marktradikalen schlau genug sind, ihren Fahrplan nirgendwo in vollendeter Deutlichkeit als Dokument zu hinterlassen, so ist es doch möglich, ihren Fahrplan aufgrund der Gleichförmigkeit, mit der in unterschiedlichen Ländern vorgegangen wird, zu rekonstruieren:

  1. Im ersten Schritt muß die kulturelle und wissenschaftliche Vorherrschaft der „Linken“ und „Liberalen“ gebrochen werden („Kulturelle Hegemonie“). Das heißt: es müssen eigene Denkfabriken errichtet werden, die wissenschaftliche Ergebnisse hervorbringen, die in das marktradikale Weltbild hineinpassen. Multiplikatoren müssen überredet werden, die marktradikale Botschaft zu den Menschen draußen im Lande zu tragen: Presseleute, Fernsehstars, Schauspieler, Künstler oder auch Sportler müssen überall verkünden, daß es zum Marktradikalismus keine Alternative gibt. Zu diesem Zweck müssen Rundfunk- und Fernsehstationen, Zeitungen und Fachblätter aufgekauft und im Sinne des Marktradikalismus umgedreht werden. Ausdrucksformen der 68er Bewegung werden übernommen: Demonstrationen, lockere Netzwerke usw.
  2. Wenn es gelungen ist, bei Wahlen eine Regierungsmehrheit zu erkämpfen, wird die neue, marktradikale Regierung sofort damit beginnen, den Staat extrem zu verschulden und damit handlungsunfähig zu machen.
  3. Ein solcher hochverschuldeter Staat wird sodann den „Sachzwang“ anerkennen, daß er, um dem Staatsbankrott zu entgehen, sein durchaus profitables Tafelsilber zu den Bedingungen eines Notverkaufs, also für’n Appel und n’ Ei, an interessierte „Investorengruppen“ verkaufen muß. Nun ist der Staat auch langfristig handlungsunfähig. Denn seine Einkommensquellen sind verkauft.
  4. Jene politischen Eliten, die von hause aus eher der genossenschaftlichen Bewegung nahestehen, wie die Sozialdemokratie, sind von dieser verschuldungsbedingten Enteignung überrascht worden. Sie haben kein Konzept entwickelt, wie der solidarische Staat durch diese Stürme hindurchnavigiert werden könnte. Dankbar nehmen überforderte Kommunal- und Landespolitiker „Heilungsrezepte“ entgegen, die wiederum von marktradikalen Instituten mundgerecht entwickelt worden sind.
  5. Auch die mittlerweile wohlhabend gewordene sozialökologische Klientel wird von den Marktradikalen nicht links liegengelassen. Mit auch für Alt-Ökos und Apo-Opas akzeptablen Phrasen wie: „nachhaltiges Wirtschaften“ wird der Einstieg ins marktradikale Boot leicht gemacht.

2.2. Versuchslabor Chile

Die Marktradikalen denken im weltumspannenden Maßstab.

Bevor sie nämlich den marktradikalen Fahrplan in den führenden Industrieländern durchpeitschten, probierten die ihre Rezepte in kleinen Staaten aus. Wenn das Experiment dort schiefgegangen wäre, hätte das keine Rückwirkungen auf die große Weltwirtschaft gehabt.

Als Versuchslabor suchte man sich Chile aus. Als am 11. September 1973 das Militär in Chile die Macht übernahm und jene Kräfte, die die Unidad Popular unter Allende mitgetragen hatten, in Konzentrationslagern verschwinden ließ; da glaubte man den tieferen Grund darin gefunden zu haben, daß die USA kein sozialistisches Land in ihrem Vorgarten Lateinamerika dulden.

Diese Erkenntnis ist nur eine Teilwahrheit. Viel wichtiger war, daß die Vorbereitungen für ein marktradikales Laborexperiment in Chile bereits Ende der Fünfziger Jahre getroffen wurden. Talentierte Nachwuchsökonomen aus Chile wurden an der Universität Chicago, der Hochburg der Marktradikalen, für die zukünftige Tätigkeit in ihrem Heimatland zurechtgetrimmt. Kaum hatte General Pinochet seine blutgetränkte Macht installiert, führten die sog. „Chicago Boys“ eine rabiate Privatisierung staatlicher Betriebe durch. Und einer dieser Chicago-Knaben geht uns in ganz besonderem Maße an: José Pinera war zwar nur ein einziges Jahr Chiles Arbeitsminister. Er hat aber die gesetzliche Rentenkasse, die in Chile nach dem deutschen Umlageprinzip arbeitete, zur Strecke gebracht, und durch kapitaldeckende Privatrenversicherungen ersetzt. Wer reguläre Arbeit hat, zahlt 12 % seines Gehaltes in diese Rentenversicherung ein. Er hat auf diese Weise ein eigenes Rentenkonto. Er kann dann entscheiden, wann er mit der Arbeit aufhört. Je nach Einzahlungsdauer hat er mehr oder weniger Geld zu erwarten. Er kann sich das Geld auszahlen lassen oder es aufzehren, bis es verbraucht ist.

Der Pferdefuß: nur wer langfristig reguläre Arbeit hat, kann von diesem System profitieren. Wer dauerhaft arbeitslos ist, bekommt vom Staat eine Minimalrente, die vielleicht zum Überleben ausreicht. Die Fehler dieses Systems sind offenkundig: die privaten Rentenkassen bekommen Geld zugespielt, das sie im Risikogeschäft für sich arbeiten lassen. Die Solidargemeinschaft der Steuerzahler muß für alle Bürger aufkommen, die für die privaten Rentenkassen nicht in Frage kommen.

Hier gilt das Grundprinzip jeder marktradikalen Theorie:

Gewinne, die in der Gesellschaft anfallen, werden privatisiert. Verluste werden sozialisiert.

Nachdem nunmehr im Labor Chile empirisch ermittelt wurde, daß die marktradikalen Rezepte scheinbar keinen makroökonomischen Schaden anrichten können, wurde der Marktradikalismus zur Doktrin der Regierungen Reagan und Thatcher erhoben. Eine bislang nicht gekannte Privatisierungswelle, gekoppelt mit einer absolut obszönen Verprassung von Steuermitteln, machten die Nationen USA und Großbritannien handlungsunfähig. Die marktradikalen „Therapien“ hatten mächtige Staaten zu wehrlosen Geiseln des internationalen Risikokapitals gemacht. Die Erscheinungsformen jener mutwilligen Verwahrlosung müssen an dieser Stelle nicht mehr ausgeführt werden.

2.3 Harte Nuß Deutschland

Deutschland erwies sich als harte Nuß für die Marktradikalen. Das liegt daran, daß in der Bundesrepublik Deutschland Genossenschaften, Verbände, Gewerkschaften und gewerblicher Mittelstand eine relativ starke Position innehaben. Zwei große Volksparteien prägen die politische Landschaft. Volksparteien, die auf sehr unterschiedliche Einzelinteressen in ihren Reihen Rücksicht nehmen müssen. Das deutsche Verhältniswahlrecht macht es beinahe unmöglich, eine rücksichtslose Interessenpolitik für eine kleine Einzelgruppe, wie z.B. das Finanzkapital, durchzupeitschen. Unter diesen Umständen kann sich als Regierungschef nur behaupten, wer eine vorsichtige Politik des Ausgleichs aller Interessen fährt. So gerne Helmut Kohl es seinen Kollegen Thatcher und Reagan gleichgetan hätte: er mußte Kompromisse machen. Und so verteidigte sein Arbeitsminister Norbert Blüm das deutsche Umlagesystem („Ei, die Rende sind sischä!“).

Den Marktradikalen wurde klar: in Deutschland würde noch ein langer, steiniger Weg zurückzulegen sein. Die Gewißheiten und das Selbstbewußtsein des deutschen Sozialstaats würde man nur etappenweise zerstören können, in kleinen Schritten. Die Gewerkschaften und ihren mächtigen Apparat galt es zu zermürben. In der SPD mußte man mühsam um Mitstreiter werben. Die Bevölkerung würde man mit einer Kette von medial inszenierten Angstkampagnen ratenweise verunsichern müssen, bis ihr kein Boden unter den Füßen mehr bliebe. Die Garanten der sozialen Ausgewogenheit diffamiert man als „Besitzstandswahrer“.

Die existenziell lebenslang gesicherten Diener des Staates, die wegen ihrer existenziellen Sicherheit natürlich nicht so leicht zu bestechen sind wie die Angestellten, die man heuern und feuern kann, die Beamten also, werden als fette, ineffiziente Drohnen beschimpft und die Abschaffung des Beamtentums als Leistung großer Weitsicht in jede Agenda mit aufgenommen. Jedes Jahr brüsten sich die Bundes- und die Landesregierungen erneut, den Bestand an Beamten weiter heruntergefahren zu haben, und die Beamtenarbeit „outgesourceten“ privaten Drückerfirmen mit ungesicherten Niedriglohnarbeitern auf Prekariatsniveau übergeben zu haben. Vor den Karren des „schlanken Staats“ lassen sich sogar Gegner des Marktradikalismus spannen.

2.4 Kampagnen ab 1998

1998 trat der Kampf der Marktradikalen in eine neue Phase. Der Sieg des Rot/Grünen Projekts verunsicherte die deutschen Unternehmer. Nun waren sie bereit, mächtig viel Geld in marktradikale Initiativen zu stecken, um das Schreckgespenst einer sozialökologischen Regierungspolitik zu verscheuchen.

Unternehmer überließen die Propaganda nicht länger ihren Standesverbänden BDI und BDA. Man stampfte kleine Initiativen aus dem Boden, die mit Anzeigenkampagnen und „Bürgerinitiativen“ für mehr Markt und weniger Staat werben sollten. Im Mittelpunkt stand die unmittelbare Beeinflussung der Massen. Die Menschen draußen im Lande wurden konfontiert mit dem „Bürgerkonvent“ oder „Deutschland packts an“. Allerdings verbreiteten diese Gruppen einen derart elitären Stallgeruch, daß sie die Herzen und Hirne des gemeinen Volkes glatt verfehlten und heute auch schon längst wieder von der Bildfläche verschwunden sind.

Etwas mehr Fleisch auf den Rippen hatte da schon die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Diese Druck-Gruppe wurde vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Elektroindustrie aus dem Boden gestampft und mit einem Jahresetat von 10 Millionen Euro gar fürstlich gepolstert. Die Umsetzung dieser Idee wurde der Werbe-Agentur Scholz & Friends anvertraut. Die INSM liefert Anzeigenkampagnen, verfaßt pressereife Artikel mit marktradikaler Weltsicht, die von den personell ausgedünnten Zeitungsredaktionen bereitwillig und unkommentiert als redaktionelle Eigenleistung in die Zeitung übernommen werden; die INSM bietet im Internet Unterrichtsmaterialien zum Herunterladen an, die von gestreßten Lehrern auch gerne in Anspruch genommen werden.

Erkennbar war das Ziel, mithilfe der INSM einer CDU-FDP-Koalition bei der nächsten Bundestagswahl zum Sieg zu verhelfen. Schröders Agenda 2010 ist für die INSM-Sponsoren nicht radikal genug. Die INSM schickte marktradikale Professoren in alle denkbaren und undenkbaren Talkshows, Politikmagazine und andere Anlässe öffentlich verübter Zerstreuung. Sog. „Botschafter“ traten auf und warben mit ihrem mehr oder minder guten Namen für den schlanken Staat, weniger Löhne und weniger Steuern. Man produzierte zur Bundestagswahlkampagne 2005 sogar einen eigenen Shooting-Star: den Finanzprofessor und früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Dieser dröge Zeitgenosse aus besseren Kreisen wurde von Angela Merkel als Super-Finanzminister ausersehen. Kirchhof sollte die Massen begeistern als neuer Hoffnungsträger, vielleicht als neuer Karl Schiller.

Kirchhof brauchte nur den Mund aufmachen, und jeder Otto Normalverbraucher merkte sofort: der Mann ist von einem andern Stern. Der hat gewiß noch nie in seinem Leben selber eine Lampe repariert oder ist mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren. Zudem hatten aufmerksame Mitbürger Kirchhof als marktradikalen Extremisten und rechten Flügelmann der Katholischen Kirche geoutet. Kirchhof hat seinen Teil zur vernichtenden Wahlniederlage der Marktradikalen im September 2005 beigetragen.

Denn der Größte Anzunehmende Unfall trat für die Marktradikalen ein: statt eines Erdrutschsiegs für Schwarz-Gelb gab es eine vollkommen unübersichtliche Situation, aus der überhaupt nur die Große Koalition heraushelfen konnte. Eine Große Koalition zwischen zwei Volksparteien, also zweimal eine Partei, die immer nur einen Minimalkonsens widerstreitender parteiinterner Gruppen hervorbringen kann. Die Lähmung ist vollständig. Das Gemurkse um die „Gesundheitsreform“ soll als Beispiel genügen.

Schon schauen Kapitalistenfunktionäre nostalgisch auf die Tage von Rot/Grün zurück. Die Koalition zwischen einer Volkspartei und einer Klientelpartei macht es nämlich den Regierungsmitgliedern aus der Volkspartei immer recht leicht, „unpopuläre Maßnahmen“ der eigenen Gefolgschaft zu erklären. Man sagt: „Es tut uns ja leid, daß wir gewisse Härten mittragen müssen, aber unser kleiner Partner von der Klientelpartei kündigt sonst die Koalition auf, und dann kommen die andern ans Ruder, und die sind noch viel schlimmer, als wir es beim besten Willen jemals sein könnten ...“

Nun, eine Lehre hatte man schon aus dem Wahldesaster gezogen: unter der rot/grünen Diktatur unter Schröder hatten die diversen aus dem Boden gestampften „Bürgerbewegungen“ eine Alarmstimmung und ein Untergangsszenario unter das Volk zu bringen versucht. Das kam nicht gut an. So hatte man bereits vor der Bundestagswahl 2005 eine Positivkampagne kreiert. Ursprünglich sollte die Aktion „Du bist Deutschland“ jene fest einkalkulierte Regierung Merkel/Westerwelle mit einer Woge von Euphorie umspülen. Unter der Regie des Bertelsmann-Imperiums waren schon die Plakatwände für die gekaufte gute Stimmung gebucht, die Werbezeiten bei Fernsehen und Kinos gemietet. Und so flankierte eine große Einswerdung von Prominenten und einfachen Klofrauen, Bäumen und Kohlköpfen, Einwanderern und westfälischen Langschädeln die Flitterwochen der grauen politischen Zweckehe von Angela Merkel und Franz Müntefering.

Die Aktion „Du bist Deutschland“ kam schon wesentlich besser an als der Jammerchor früherer Kampagnen. 8.000 Bundesbürger haben freiwillig auf der „Du bist Deutschland“-Webseite ihr Konterfei und ein Sprüchlein reingesetzt. Die Fußball-WM war schon lange gebucht, und man versuchte nun, auch dieses Sportereignis zu einem wallenden Volksvotum für den Marktradikalismus zu machen. Oder zumindest zu einer Positivstimmung für die wenig anziehende Bundesregierung. Wir haben es alle erlitten und überstanden. Der „Schwarz-Rot-Geile Sommer“ brachte eine positive Stimmung im deutschen Gemeinwesen.

Aber: worin besteht der strategische Gewinn für die Marktradikalen? Man hat hier improvisiert und man hat Kompromisse machen müssen. Sicher ist das politische Barometer wieder ein bißchen mehr rückwärts und nach rechts gerückt. Aber heißt das auch, daß der Deutsche aus dem Volke deswegen umso freudiger in seine fortschreitende Enteignung und Entmündigung einwilligt?

Die Kampagnengruppen, die blitzartig wie Champignons aus dem Boden geschossen sind, sind ebenso blitzartig wieder abgetaucht. Und auch die INSM ist nach ihrer großen Wahlblamage, die bei ihren Auftraggebern vom Unternehmerlager nur „reine Verbitterung“ erzeugt hat, erst einmal ganz zahm und ruhig geworden. Bis 2009 jedenfalls haben INSM-Macher Scholz&Friends eine sichere Finanzierungszusage vom Verband Gesamtmetall ...

2.5 Unbemerkt und darum so mächtig: Bertelsmann AG/Stiftung

Weitaus wirkmächtiger und bislang von öffentlicher Neugier unbehelligt geblieben sind die äußerst effektiven und äußerst gefährlichen Aktivitäten des Bertelsmann-Imperiums.

Bertelsmann – das ist die Kraft der zwei Herzen.

Da ist auf der einen Seite der fünftgrößte Medienkonzern der Welt: die Bertelsmann AG mit insgesamt 600 Einzelfirmen, zusammengefaßt in den Säulen: Arvato AG, Gruner und Jahr, dem Fernsehkonzern RTL, dem Druckhaus Bertelsmann und dem Buchclub (der Musik-Konzern BMG wurde gerade veräußert). Und auf der anderen Seite die Bertelsmann-Stiftung. Die Bertelsmann-Stiftung hat wiederum zwei Aufgaben. Zum einen will der noch lebende Alleinherrscher Reinhard Mohn mit der Stiftung die Bertelsmann AG langfristig zusammenhalten. Deshalb hält die Stiftung ca. 60% des Aktienpakets des Medienkonzerns. Über eine weitere Verwaltungsgesellschaft garantiert Mohn, daß auch wirklich alle Fäden bei ihm weiterhin zusammenlaufen.

Die andere Funktion der Stiftung besteht in der marktradikalen Umwandlung der Bundesrepublik Deutschland, aber auch anderer Länder. Die Bertelsmann-Stiftung vergibt keine Gelder an auswärtige Projekte, sondern plant und führt nur eigene Vorhaben durch. Und die haben es in sich. Denn alles, was die Sozialarchitekten der Bertelsmann-Stiftung ersinnen, kann sodann von dem Medienkonzern Bertelsmann propagandistisch flankiert werden.

Die Bertelsmann-Stiftung will nicht die Massen beeinflussen (das tut ja der Konzern). Die Stiftung will als Deutschlands weitaus größte Denkfabrik direkt Einfluß nehmen auf die Eliten. 400 Millionen Euro Stiftungskapital ermöglichen einen Jahresetat von 64 Millionen Euro. Mit denen kann man über 300 hochqualifizierte Mitarbeiter dauerhaft beschäftigen. Bestens renommierte Wissenschaftler entwickeln Techniken, wie sich öffentliche Dienstleistung im Sinne betriebswirtschaftlicher Rechentechnik rentabler als bisher betreiben läßt. Denn Reinhard Mohn ist der Ansicht, daß die Politiker und die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sowieso unfähige Pfeifen sind, die vom Einmaleins einer professionellen Haushaltsführung nicht den blassesten Schimmer besitzen. Dafür müssen die erst einmal bei einem gestandenen Wirtschaftskapitän wie Reinhard Mohn in die Lehre gehen ...

Nach dieser Lehre müssen auch Krankenhäuser, Bibliotheken, Schulen und Universitäten in selbständige Wirtschaftsunternehmen umgewandelt werden. Wenn die zopfige zentralistische Kameralistik erst mal aus Amtsstuben und Hirnen verbannt ist, werden diese Dienstleistungsunternehmen sich nicht nur finanziell selbst tragen, sondern sogar Gewinn abwerfen. Und dann kann so ein Dienstleistungsunternehmen ohne weiteres an die Börse geschickt werden ...

Und das ist längst gelebte und gelittene Realität in Deutschland. Daß dabei bislang so wenig Geräusch entstanden ist, liegt an einem Zweckbündnis zwischen Sozialdemokratie und Bertelsmann. Das geht schon auf die späten Sechziger Jahre zurück, als in den meinungsbildenden Zeitschriften des Bertelsmann-Verlags Gruner und Jahr, besonders im allseits bekannten „Stern“, sowie im mit Bertelsmann in wechselnder Weise liierten „Spiegel“, die sozialliberale Koalition publizistisch unterstützt wurde. Auch der demoskopische Aufstieg der beiden Emporkömmlinge Gerhard Schröder und Joschka Fischer wurde wesentlich von den Bertelsmann-Medien bewerkstelligt.

Von daher ist es dann auch nicht mehr ganz so verwunderlich, daß ausgerechnet das traditionelle SPD-Land Nordrhein-Westfalen bereits unter der Regentschaft von „Bruder Johannes“ Rau die ersten Praxistests der Bertelsmann-Ideen erfuhr. Hier wurde ja auch in Witten-Herdeke die erste Privatuni Deutschlands eröffnet. Bertelsmann schob das Projekt „Schule & Co“ an. In Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium werden mittlerweile etwa 400 Schulen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Dafür wurden aus öffentlichen Mitteln sogar neue Lehrerplanstellen eingerichtet. Diese zusätzlichen Lehrer unterrichten aber nicht, sondern werten die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Experimente aus. Diese Ergebnisse werden sodann an die Bertelsmann Stiftung geschickt und dort an der demokratischen Öffentlichkeit vorbei evaluiert

Um die Universitäten in lukrative Rendite-Spender umzutrimmen, hat die Bertelsmann Stiftung das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) gegründet <1>. Die CHE hat sich frühzeitig mit der deutschen Hochschulrektorenkonferenz kurzgeschlossen. Die HRK ist mittlerweile der eifrigste Parteigänger der Bertelsmann-Ideen. Auch Unis sollen zu eigenständigen Wirtschaftseinheiten werden, die mit anderen Unis als anderen Wirtschaftseinheiten in einem scharfen Wettbewerb stehen. Alle möglichen und unmöglichen quantitativen Vergleiche sollen angestellt werden. Nach amerikanischer Marotte sollen Rankings Stärken noch mehr verstärken und Schwächen noch mehr verschwächen: Bundesligatabellen zeigen unerbittlich an, welches die beste Uni ist, wer aufgestiegen und wer abgestiegen ist. Eine Superliga von „Exzellenz-Universitäten“ soll alle Drittmittel aufsaugen und ein graues Heer von Arme-Schlucker-Unis unter sich begraben.

Wie gesagt, das internationale Risikokapital ist unersättlich, und läßt keine Ruhe, bis sich auch der letzte Atemzug des letzten Mitbürgers als Shareholder Value abbilden läßt. Damit die Unis zu Spekulationsobjekten der Börse werden können, müssen sie natürlich erst einmal in der Lage sein, eine Rendite abzuwerfen. Zu diesem Zweck ist die Einführung von Studiengebühren unerläßlich. Das wird in einem internen Papier der Bertelsmann Stiftung eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Wer glaubt, die deutsche Außenpolitik sei die Angelegenheit demokratisch gewählter Politiker und der ihnen unterstellten Ministerialbürokraten, der kennt das Bertelsmann-nahe Centrum für Auswärtige Politik noch nicht. Das CAP ist ein Institut innerhalb der Münchner Universität. Jedoch wird es von Bertelsmann finanziert, und sein Institutsleiter, der Professor Werner Weidenfeld, immerhin Beamter des Freistaats Bayern, läßt sich von der Bertelsmann Stiftung 174 Arbeitstage im Jahr honorieren. Prof. Weidenfeld war enger Berater von Helmut Kohl, und er darf auch heute bei keiner Auslandsreise im Kanzlergefolge fehlen.

Die Bertelsmann Stiftung betreibt mit der CAP internationale Symposien, die beinahe bedeutender sind als regierungsoffizielle Treffen. Beim sog. Kanzlertreffen nimmt sich der Regierungschef mal so richtig Zeit, um mit seinen Machtpartnern aus Bund und Ländern grundsätzliche Fragen zu erörtern. Funktionäre der Europäischen Union und nationale Regierungsmitglieder treffen sich unter dem Bertelsmann-Dach. Bertelsmann ist so mächtig, daß Oberhäupter beitrittswilliger Länder zu Bertelsmann pilgern, damit die Bertelsmänner für diese Kandidaten ein gutes Wort bei der EU-Führung einlegen. Die Bertelsmann-Fürsprache zugunsten Kroatiens brachte dem Bertelsmann-Medienkonzern die beste Sendefrequenz im kroatischen Äther ein. Der kroatische RTL wurde so auf Anhieb Marktführer in dem katholischen Balkanland.

Doch damit nicht genug: es ist schon lange gang und gäbe, daß demokratisch nicht legitimierte private Einrichtungen in Bundesministerien ein- und ausgehen und Gesetze schreiben, die dann von den Politikern nur noch übernommen werden. Die gesamte Agenda 2010 ist von der Bertelsmann Stiftung ersonnen und formuliert worden. Das Konzept der Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern; das Konzept der Personal-Agenturen – alles Schaumgeburten der Bertelsmänner und –frauen. Ulla Schmidts Gesundheitsreform: alles schon bis ins letzte vorformuliert im Bertelsmann-Papier: „Eigenverantwortung im Gesundheitswesen“.

Was in Deutschland noch gewöhnungsbedürftig ist, hat sich in den angelsächsischen Ländern seit Jahrzehnten etabliert: die Public Private Partnership (PPP).

Wir erinnern uns: der Staat wird durch eine planvolle Geldverschwendung in den Ruin getrieben, zu Notverkäufen gezwungen, und der Staat ist nach dieser „Roßkur“ nicht mehr handlungsfähig. In dieser Situation treten – ganz selbstlos und aus Verantwortung für die Gemeinschaft – private Firmen, Agenturen und Stiftungen auf den Plan, um dem amputierten Staat eine Aktionspartnerschaft anzudienen, um gemeinsam kommunale und staatliche Aufgaben zu bewältigen, für deren Bewältigung der Staat ja alleine nun zu schwach geworden ist.

2.6 Öffentlich Private Partnerschaften

Nicht nur Bertelsmann, auch viele Beraterfirmen und Wirtschaftsanwaltskanzleien haben mittlerweile nicht nur jederzeit Zugang zu allen Ministerien. Nein. Sie haben dort eigene Schreibtische und von ihnen bezahlte Mitarbeiter, die den Ministerialbeamten ganz selbstlos bei der Formulierung neuer Gesetze und Verordnungen helfen.

Ein besonders dreistes Beispiel der kalten Machtübernahme stellt das Gesetz über Öffentlich-Private Partnerschaften dar, das am 1. September 2005 in aller Heimlichkeit im Windschatten des Wahlkampfs von der Allparteienkoalition durchgepeitscht wurde. Das neue Gesetz erleichtert es öffentlichen Trägerschaften erheblich, ihre Liegenschaften (z.B. Schulen, Krankenhäuser, Behördenhäuser, ja sogar Parkanlagen) an private Gesellschaften zu verkaufen. Angeblich, so die Rechtfertigung zu diesem Gesetz, würden die öffentlichen Einrichtungen Geld sparen, wenn sie in Zukunft nur noch Mieter ihrer Gebäude und Grundstücke wären.

Abgesehen davon, daß diese Kalkulation wirtschaftlich gesehen eine Milchmädchenrechnung darstellt, spottet die Entstehung des Gesetzes allen Grundsätzen demokratischer Entscheidungsfindung. In Albrecht Müllers Buch „Machtwahn“ heißt es dazu:

„Nicht nur der gesetzliche Freibrief zum beschleunigten Verkauf des öffentlichen Tafelsilbers ist ein Novum. Auch die Art, wie das Gesetz zustandegekommen ist, offenbart einen, sagen wir: neuen Politikstil. War es nämlich bislang üblich, dass Ministerialbeamte einen Gesetzentwurf formulieren und ihn dann an Experten und Parlamentarier zur weiteren Bearbeitung übergeben, so ist dieses ÖPP-Gesetz von der amerikanischen Anwaltssozietät Hogan & Hartson Raue ausgearbeitet worden. Eine Arbeitsgruppe aus vierzig Ministerialen und sechzig Privatjuristen hat diese Vorlage dann in Gesetzesform gegossen ... Immer häufiger werden die internationalen Anwaltssozietäten als neue Mitspieler beim Gesetzentwicklungsprozess in Berlin eingebunden. Vielmehr: Sie haben sich selber diskret eingebunden. Oftmals formulieren sie kostenlos neue Gesetze. ‚Ihre Handschrift findet sich im Gesundheits- ebenso wie im Energie-, Telekommunikations- oder Arbeitsrecht’, schreibt Marcus Rohwetter <der in der ZEIT darüber berichtet hatte H.P.>. Da von diesen privat formulierten Gesetzen häufig die Großkunden ebendieser Anwaltskanzleien nicht unerheblich profitieren, lohnt sich diese Selbstlosigkeit der Privatjuristen.“ (Müller, Machtwahn, Seite 121)

Die Bertelsmann-Firma Arvato z.B. übernimmt jetzt die komplette kommunale Verwaltungsarbeit in einem englischen Landkreis. An die Stelle von Amtsstuben treten dann in Zukunft ganztägig begehbare Zellen, ähnlich den Räumen für Geldautomaten. Dort kann man dann jederzeit Anträge für KFZ-Zulassungen u.ä. über Computer beantragen. Mögen auch vielerorts real existierende Menschen der Sorte Homo Bürocraticus in Verruf geraten sein: es ist anzunehmen, daß jemand, der auf eine kompliziertere Eingabe an die Behörde immer wieder die selben stupiden formalisierten Computerantworten zurückbekommt, sich nichts so sehnlich zurückwünschen wird wie den guten alten Homo Bürocraticus.

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Ich komme nunmehr zum zweiten wichtigen Angriffspunkt der Pressure-Groups auf den demokratischen Willensbildungsprozeß, nämlich

  1. Außenpolitik und/oder Bündnispolitik

Wie bereits gesagt:

die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist gegen eine zu enge Anbindung an eine Supermacht – wer immer das auch sein mag <2>.

Nun wollen aber die Reichen und Mächtigen in den USA sicherstellen, daß die – nach außen hin unabhängigen – Staaten dieser Erde in ihrem Sinne handeln.

3.1 Atlantikbrücke, ACG, Aspen Institute

Nachdem in den USA lange Zeit kein Interesse an engeren Bindungen mit anderen Staaten oder Staatenblöcken bestand, wuchs im Ersten Weltkrieg eine neue Elite in den USA heran, die große Zukunftschancen in einem verstärkten außenpolitischen Engagement in allen Winkeln der Welt erblickten. Diese Leute gründeten 1921 den Council on Foreign Relations. Dieser ist – anders als viele Lexikoneinträge künden – weder staatlich noch halbstaatlich, sondern ein Organ der US-amerikanischen Großbanken. Dem CFR haben allerdings seither fast alle US-Außenminister angehört.

Die Weltöffentlichkeit weiß verhältnismäßig viel über die globalen Taten des US-Geheimdienstes CIA. Morde, Entführungen, Folterungen, angezettelte Aufstände und Putschaktionen werden als störend empfunden, da mit Geräusch verbunden. Diese „hard power“ ist aber nur ein zahlenmäßig geringfügiger Anteil der Beeinflussung politischer Vorgänge auf dieser Welt im Interesse der US-Oligarchie. Viel wichtiger und nachhaltiger in der Wirkung ist das, was US-Experten als „soft power“ bezeichnen. Es macht sich eindeutig mehr bezahlt, die nationalen Eliten zu umgarnen mit Geschenken und Vorteilen aller Art. Sie ganz persönlich an den American Way of Life zu binden. Und genau das ist das Arbeitsgebiet des CFR. Und der CFR unterhält zu diesem Zweck Filialen in 171 Ländern dieser Erde.

Da gibt es aber kein Messingschild, auf dem steht: „Filiale des CFR für Guatemala“ o.ä. Vielmehr wird der Anschein erweckt, hier handele es sich um einen biederen Honoratiorenclub. So etwas ähnliches wie „Lions Club“. So gibt es in Berlin die Atlantikbrücke. Ein mildtätiger Verein, wie er sich da im Internet präsentiert. Diese Vereinigung von netten Damen und Herren aus den besseren Kreisen wurde 1952 von dem Hamburger Privatbankier Erich Warburg und der ZEIT-Herausgeberin Gräfin von Dönhoff gegründet. Der langjährige Präsident der Atlantikbrücke, Arend Oetker, sagte in dankenswerter Offenheit: „ Die USA werden von 200 Familien kontrolliert. Wir möchten gerne mit diesen Familien gut Freund sein.“

Arend Oetker war bis 2005 Präsident der Atlantikbrücke. Abgelöst wurde Oetker durch Thomas Enders, der kurioserweise genau zur selben Zeit auch zum Chef des europäischen Rüstungsriesen EADS aufstieg. Ehrenpräsident ist Walter Leisler Kiep. Die Liste der veröffentlichten Mitglieder liest sich wie ein Who’s Who der deutschen Politik: Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Kai Diekmann vom Springer Verlag, Josef Joffe von der ZEIT, Kurt Biedenkopf, Birgit Breuel, Thomas Middelhoff (früher Bertelsmann, jetzt Quelle Karstadt). Aber auch Leute, wo man das nicht erwartet, wie z.B.: Norbert Gansel, Karsten Voigt oder der Grüne Cem Özdemir. Oder der Gewerkschaftsboß Hubertus Schmoldt. Der Europa-Politiker Elmar Brok. Der Bundestagsabgeordnete Eckhart von Klaeden.

Die Atlantikbrücke führt junge Führungskräfte aus Europa und USA an schönen Orten in informellem Rahmen zusammen – das Young-Leaders Programm. Preise werden vergeben, u.a. an George Bush den Älteren, gekrönt durch eine furchtbar unterwürfige –man kann aber auch ohne weiteres sagen: schleimige - Lobesrede des damaligen Außenministers Joschka Fischer. Daß die Atlantikbrücke jedoch kein harmloser Honoratiorenklub ist, zeigt sich, wenn der Verein zu Spitzengesprächen zwischen dem US-amerikanischen Militäroberkommando der USA in Europa und den NATO-Spitzen einlädt. Über diese Gespräche herrscht strenges Stillschweigen.

In die Atlantikbrücke wird man nicht per Aufnahmeantrag aufgenommen. Die Atlantiker halten Ausschau nach talentierten Nachwuchskräften und laden diese dann ein, bei ihnen mitzumachen. Wenn in der deutschen Presse davon die Rede ist, ein Manager oder ein Politiker sei ein „Transatlantiker“, so ist das meistens eine Chiffre dafür, daß der so Bezeichnete ein Mitglied der Atlantikbrücke ist, und daß dieser Transatlantiker nachdrücklich die Interessen der US-Wirtschaft und -Finanz vertritt.

Auf der US-amerikanischen Seite gibt es noch extra ein Gegenstück zur Atlantikbrücke: der American Council on Germany. Die einseitige Abhängigkeitsbeziehung wird schon durch diese Namensgebung deutlich: der „Amerikanische Rat über Deutschland“. Der ACG wurde ebenfalls 1952, ebenfalls von Erich Warburg gegründet, zusammen mit dem hochrangigen US-Wirtschaftsjuristen John McCloy, der in jenen Tagen Hochkommissar des zur Bundesrepublik erhobenen Westdeutschland war, und der später Präsident der Weltbank wurde. Im ACG finden sich alle wichtigen Privatbankiers der USA, vereint mit bedeutenden Politikern wie Henry Kissinger oder Madeleine Albright. Offiziell besteht die Arbeit dieses Rates darin, politische Konferenzen mit bedeutenden Meinungsmachern und Politikern zu organisieren, sowie Nachwuchskräfte in die vorhandenen Gefolgs- und Seilschaften einzubinden. Joschka Fischer, Joseph Ackermann oder Peter Struck haben ihre Erkenntnisse den US-Bankern in Vorträgen vermittelt.

Immer wenn eine deutsche Regierung neu ins Amt gekommen ist, tritt sie wenige Monate nach ihrer Inthronisierung in Washington beim ACG zum Vorsingen an, um den US-Bankiers ihre Absichten für die nächsten Jahre zu erläutern. Am 12. und 13. Januar 2006 stellte sich die Kanzlerin Angela Merkel nebst hochrangigem Anhang den Reichen und Mächtigen der USA vor, und hinterließ einen hervorragenden Eindruck.

Leider ist uns gewöhnlichem Volk nur Frau Merkels Grußadresse vor dem Festbankett zugänglich. Dort erklärte die frischgekürte Kanzlerin: „ Wir müssen uns entscheiden, ob wir uns in einem Kampf von Boeing gegen Airbus verklammern, oder ob wir uns auf die weit bedeutendere Frage konzentrieren, wie wir alle zusammen – mit unseren gemeinsamen Wertsystemen – mit China verfahren sollen.“ (rückübersetzt aus der englischen Übertragung).

Der stellvertretende US-Finanzminister und frühere Deutschland-Botschafter Allen beklagte sich bei diesem Anlaß über die „gefährliche“ öffentliche Debatte in Deutschland betreffs der berüchtigten Hedge Fonds. Münteferings wahltaktisch motivierte alttestamentarische Geißelung der „Heuschrecken“ war auch jenseits des großen Teichs von Leuten vernommen worden, die sich zu Recht angesprochen fühlten.

In einer Abschlußdebatte diskutierten auf dem Podium Markus Ederer aus dem deutschen Auswärtigen Amt und der ehemalige CIA-Chef und jetzige Vizepräsident der Unternehmensberatungsfirma Booz Allen Hamilton, James Woolsey, über: „A Common Energy Strategy and its Consequences”. Zugegen waren: Europa-Abegordneter Elmar Brok, Eckart von Klaeden, Hans-Ulrich Klose, Michael Naumann, Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung, der Nahostexperte Volker Perthes, Alexander Graf Lambsdorff, und unter vielen anderen Celebrities der rauschebärtige letzte DDR-Außenminister Markus Meckel.

Doch ein Pro-USA-Verein für Deutschland ist nicht genug. Es gibt außer der Atlantik-Brücke noch das Aspen-Institute mit einer Filiale in Berlin. Das Aspen-Institute hat insgesamt nur noch vier weitere Dependencen außerhalb Washingtons. Das Berliner Aspen Institute betätigt sich als Stifter von Symposien und Seminaren mit prominenten Teilnehmern von beiden Seiten des Atlantischen Ozeans. Neben den üblichen Verdächtigen: Karsten Voigt, Josef Joffe, Klaus Naumann, Helmut Schmidt uva. finden wir noch: Rita Süssmuth, Olaf Henkel, Gerhard Cromme, dann den früheren Kohl-Berater Horst Teltschik, Matthias Döpfner vom Springer Verlag, Richard von Weizsäcker, Edzard Reuter, Lothar Späth, oder auch den in der Presse viel gefragten Soziologieprofessor Wolf Lepenies.

Und wenn Sie ein Foto des momentanen Direktors des Aspen Institute sehen, dann werden Sie sagen: ach der! Den habe ich doch neulich erst wieder in einer Talkshow gesehen. Jeffrey Gedmin heißt jener telegene Mann, von dem man immer gleich erfährt, daß er „ein Amerikaner in Berlin, obendrein Jude und gläubiger Katholik“ sei. Gedmin hat sich in der rechtsextremen Polit-Szene der USA hochgearbeitet: zuerst beim American Enterprise Institute. Dann nahm ihn der allseits gefürchtete Kriegsmakler und Präsidentenberater Richard Perle unter seine großzügigen Fittiche.

Immer wieder werden seine „engen Kontakte“ zu Henry Kissinger, Benjamin Netanyahu, Maggie Thatcher oder Donald Rumsfeld hervorgehoben. Gedmin ließ sich auch nicht lange bitten, um in Deutschland eine Unterschriftenliste zugunsten der US-amerikanischen Intervention im Irak herumgehen zu lassen. Der Amerikaner in Berlin hat schon eine beachtliche Jagdstrecke an Artikeln in deutschen Zeitungen und Nachrichtenmagazinen fabriziert. Zum Beispiel am 22. Juli 2004 in der Springer-Zeitung DIE WELT. Titel: „Warum ich die EU für einen Irrtum halte“. Der immer noch junge Mann findet es nicht gut, wenn ein geeintes Europa etwa auf die Idee käme, gleich stark zu werden wie die USA und dann auch noch einen eigenen Willen entwickeln zu wollen. Wenn das mal – trotz aller Vorkehrungen - der Fall sein sollte, könne man sich ja an das Vorgehen der USA im Irak erinnern ...

Übrigens: bezahlt wird das Aspen Institute vom deutschen Steuerzahler. Das Auswärtige Amt, der Berliner Senat, das Bundesministerium für Finanzen und die Bundesregierung durch das Transatlantik-Programm finanzieren die amerikanische Agitation gegen ein selbständiges Europa.

Wie pro-USA-Seilschaften arbeiten .

Ein Beispiel aus der Praxis: Das Rezensionskartell

Es gibt ja immer noch Leute, die halten die Berliner tageszeitung (taz) für links und USA-kritisch.

Der Leiter der taz-Inlandsredaktion heißt Ralph Bollmann. Der junge Redaktionsleiter hat 2006 ein Buch herausgebracht: „Lob des Imperiums – Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens“. Der Klappentext des im Siedler-Verlag veröffentlichten Buches verweist auf die erstaunlichen Parallelen zwischen der Niedergangsgeschichte des antiken Roms und des „Westens“ – soll heißen, der USA und ihrer „Partnerstaaten“: „Das Versagen der einst so erfolgreichen Integrationspolitik, der zunehmende Druck an den Grenzen des Reiches, das Aufkommen einer fundamentalistischen Religionsgemeinschaft und die sinkende Geburtenrate <!> führten zu einem beispiellosen wirtschaftlichen und kulturellen Verfall und schließlich zur Auflösung des Römischen Reichs.“ Deshalb, so der Klappentext weiter, soll „der Westen“ seine Integrationskräfte stärken „und sein vitales Interesse am Erhalt des Imperium Romanum <=USA>“ erkennen. Denn, so Bollmann laut Klappentext, als das Imperium Romanum zusammenbrach, haben alle Beteiligten nur verloren. So geht uns das auch, so die unausgesprochene Botschaft, wenn wir uns dem Zusammenbruch der USA nicht entgegenstemmen.

Als Erster lobt Herfried Münkler das Buch in der ZEIT vom 28.9.2006 als „überaus anregende Lektüre“. Münkler muß man nicht erst vorstellen. Er ist im Fernsehen und im Blätterwald überall zugegen, wenn es gilt, die Aktionen der Bush-Regierung zu preisen. Am 2.10.06 folgt Hans-Ulrich Gumbrecht in der Neuen Zürcher Zeitung. Gumbrecht hebt den „intellektuellen Gewinn“ hervor, den er aus dem Bollmann-Buch gesogen habe. Ein Interview mit „Sepp“ Gumbrecht in Telepolis vom 4.3.06 hebt das „glühende Amerikanertum“ des jetzt in Stanford lehrenden deutschen Professors hervor. Gumbrecht ergreife leidenschaftlich Partei für das „Neue Rom“.

Schließlich würdigt Burkhard Müller-Ulrich in der Süddeutschen Zeitung Bollmanns Buch am 27.1.07 als „anregend und geistreich“. Müller-Ulrich war Ressortleiter beim Deutschlandfunk und gehört zu einem fanatisch pro-israelischen und pro-US-amerikanischen neoconservativen Netzwerk von Multiplikatoren mit dem beziehungsreichen Namen „Die Achse des Guten“. Weitere Mitglieder sind u.a. Henryk M. Broder, Matthias Horx und Cora Stephan.

Daß drei gestandene Pro-US-Kämpfer aus der ersten Reihe einem Newcomer eine solche Ehre erweisen, und daß ihre Besprechungen alle den gleichen positiven Tenor aufweisen, wird den Kurswert von Ralph Bollmann unstreitig anheben. Er wird sich bestimmt bei den drei Altmeistern des medialen USA-Lobbyismus irgendwann revanchieren ...

3.2 German Marshall Fund, DGAP, SWP

Ganz wichtig ist der Pro-USA-Seilschaft die rechtzeitige Förderung des begabten Nachwuchses. Bevor zukünftige Eliten eigene Gedanken entwickeln können, werden sie durch Jugendwettbewerbe angelockt und ausgelesen. Attraktive Stipendiate an US-Universitäten sollen die zukünftigen Führer Europas mit dem amerikanischen Lebensgefühl und Denken vertraut machen. Nicht daß noch einmal eine ganze Generation von Elite-Nachwuchs wie 1968 mühsam eingefangen und kostspielig bestochen werden muß!

Bekannt ist das Fulbright Stipendium. Aber da gibt es was viel Größeres. 1972 wußte der sozialdemokratische Kanzler Willy Brandt seine Rede in Harvard mit der Ankündigung zu krönen, aus deutschen Steuergeldern werde aufgrund tief empfundener Dankbarkeit ein stolzes Sümmchen von 150 Millionen DM für ein Studienförderungsprogramm aufgelegt: The German Marshall Fund of the US. 1986 und 2001 gabs noch mal deutsche Steuergelder für die Rekrutierung US-höriger europäischer Jung-Kader. Seit dem Fall des Eisernen Vorhanges nach 1989 wurde die proamerikanische Talentförderung auf die Staaten des ehemaligen Ostblocks ausgedehnt.

Die proamerikanischen deutschen Eliten brauchen eine wissenschaftlich solide Unterstützung durch saubere Recherche. In diesem Zusammenhang ist die 1955 gegründete Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. ganz hilfreich. Die Amerikaner sind so galant und übersetzen den Vereinsnamen mit: German Council on Foreign Relations. Damit vermitteln sie den Deutschen das wohlige Gefühl, sie hätten ein Institut auf Augenhöhe mit dem New Yorker Council on Foreign Relations. Man definiert sich selber als „praxisorientierter Think Tank“. Die DGAP kooperiert eng mit dem Institute for International Economics. Das ist ein Gremium aus lauter höchstrangigen Leuten der Bankenszene: David Rockefeller, Jean Claude Trichet, Cajo Koch-Weser, Paul O’Neill, Paul Volcker, Jacob Wallenberg, Alan Greenspan oder auch Dennis Weatherstone, seines Zeichens CEO bei Morgan Guaranty Trust.

Unter der Präsidentschaft von Arend Oetker gedeihen bei der DGAP drei operative Fachabteilungen, die die Agitation deutscher Politiker seriös unterfüttern: erstens die Zeitschrift „Internationale Politik“, zweitens ein Forschungsintitut, und drittens ein Bibliotheks- und Dokumentationszentrum. Im Präsidium sitzen der bekannte Unternehmensberater Roland Berger, sowie Elmar Brok und Peter Ramsauer von der CSU. Im Beirat dann die uns schon bekannten üblichen Verdächtigen aus Atlantikbrücke und Aspen Institute, ergänzt durch die Grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer.

Wenn man als transatlantischer Außenminister oder Bundeskanzlerin sich ein bestimmtes Land zur weiteren Behandlung vorknöpft, dann muß man gut bescheid wissen. Ideologische Sprüche und Voreingenommenheiten könnten zu üblen Fehlgriffen mit noch übleren Folgen bis zum Rücktritt vom Amt führen. Deswegen holt man sich für die operative Tagespolitik unabhängige Experten, die auch ruhig links von der Mitte stehen dürfen – Hauptsache, sie können gute Tips geben.

Unabhängige sachkundige Expertise liefert in diesem Fall die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Die SWP hält Kontakt zu Experten zu beinahe allen Ländern dieser Erde. Wenn es in Tonga kracht, braucht nur ein Tonga-Experte angerufen zu werden. Der erstellt in kürzester Zeit ein Dossier über Tonga.

Regelmäßig erscheinen zudem Arbeitspapiere, in denen die Bundesregierung beraten wird, wie die zukünftigen Entwicklungslinien in geopolitisch für Deutschland wichtigen Regionen verlaufen werden. Und das erste Halbjahr 2007 ist ja für die deutsche Regierung eine besondere Herausforderung. Denn Deutschland führt turnusmäßig den Vorsitz der Europäischen Union. Nun muß Deutschland gleich für einen Pulk von 25 Staaten mit denken.

Eine Vordenkerrolle, die gar nicht ungern ausgefüllt wird.

Und – ist es Zufall? – zum ersten Mal werden drei Halbjahrespräsidentschaften zu einem großen 18-monatigen Sinnabschnitt zusammengefaßt. Deutschland folgen Portugal und Slowenien. In diesen anderthalb Jahren werden die drei Staaten sich abstimmen. Es liegt nahe, daß bei den unterschiedlichen Kräfteverhältnissen in diesem Trio Deutschland 18 Monate lang weitgehend die Richtlinien der Politik in Europa bestimmen wird.

Da ist es ein Segen für Frau Merkel, daß die äußerst fachkundigen und sachlichen Experten des SWP unter der fachlichen Leitung des brillanten Nahostexperten Volker Perthes bereits im September 2006 ihre Empfehlungen in trockenen Tüchern hatten <3>. Und, Frau Merkel spricht die Empfehlungen des SWP recht artig nach. Da ist viel von „Sicherheit“ die Rede – und das meint immer: Aufrüstung.

Der Tenor des Papiers: Die für Deutschland interessanten Erdregionen können nun mal ohne unsere Hilfe nicht zurechtkommen. Der westliche Balkan muß zivilisiert werden. Auch wenn sich Serbien „mit gewohntem Trotz“ gegen die weitere Filetierung seines Staatsgebietes sträuben sollte. Und da hinten bei der Ukraine gibt’s ein Ländchen, das heißt Transnistrien. Das will sich von Moldawien abspalten. Moldawien soll Transnistrien aufgeben und sich uns anschließen. Wenn wir da friedlich eine Schneise reinhauen könnten, dann wäre die Brücke zur Ukraine gegeben.

Die USA haben gerade mit Indien ein Nuklearabkommen geschlossen, das mit einem Schlag alle Atomwaffensperrverträge direkt in den Papierkorb befördert hat. Da sollten wir uns jetzt nicht zu fein sein, mit Indien intensiver nukleare Geschäfte zu machen. China müssen wir über Demokratie belehren. Der islamischen Welt gegenüber sollten wir uns etwas verständnisvoller zeigen. Dort sind durchaus eher die gemäßigten Islamisten auf dem Vormarsch, die von sich aus Demokratie wollen; vielleicht eine eigenwillige arabische Demokratie, aber immerhin. Afrika und Lateinamerika gehören offenkundig nicht zu den Interessenzonen Deutschlands.

Und bezüglich unseres Themas, nämlich der transatlantischen Beziehungen?

Es gelten immer noch die Leitlinien der New Transatlantic Agenda, die in einem USA-EU-Gipfel 1995 festgelegt worden sind: gemeinsame Freihandelszone und Angleichung der wirtschaftlichen und politischen Instrumente. Nun kam es aber seit 2002 zu einer Verstimmung zwischen Europa und USA, weil die US-Regierung nicht mehr so viel Wert auf Europa legte, und Europa wegen des Irak-Kriegs etwas verstimmt war.

Beim in der Öffentlichkeit wenig beachteten EU-USA-Gipfel 2004 im irischen Dromoland ist man sich wieder näher gekommen. Und beim nächsten Treffen 2005 hat man sich dann auf die „Transatlantic Economic Integration and Growth Iniative“ geeinigt. Nun ist ja gottlob mit der Regierung Merkel ein neuer Schwung in die transatlantischen Beziehungen gekommen. Europa ist stärker, die USA dagegen sind schwächer geworden. Die Konjunktur in Europa zieht an, während sie in den USA als im Abschwung befindlich wahrgenommen wird.

Zudem hat die Europa-ignorante Bush-Regierung ihren Karren im Irak in den Dreck gefahren. Und die europäischen Atlantiker sympathisieren eindeutig mit dem Kreis um die Baker-Hamilton-Kommission: „Auch die anwachsenden globalen und sicherheitspolitischen Herausforderungen, bei deren Bewältigung sich die EU als unverzichtbarer Partner der USA erweist, tragen zur veränderten Wahrnehmung Europas bei.“ (Perthes et al., 50).

Und was der geschwächte britische Premier Tony Blair nicht mehr leisten kann, das vollbringt jetzt eine aufblühende Angela Merkel: „Auch innerhalb der EU ist Deutschland derzeit gut positioniert, um die widerstreitenden Interessen der Mitgliedstaaten in der Perspektive einer ambitionierten transatlantischen Integrationsagenda zusammenzuführen <Fettdruck von mir. H.P.> .“ (Perthes et al., 50)

Schon vorher läßt die SWP keinen Zweifel, davon zu träumen, daß Europa und die USA, zu siamesischen Zwillingen zusammengeschweißt, dem Rest der Welt ihre Agenda diktieren. Da ist die Chance, „... eine neue umfassende Initiative zu vertiefter, institutionell fundierter atlantischer Integration anzustoßen. Dies würde auch die WTO in ihrer gegenwärtigen Krise nicht schwächen, sondern könnte im Gegenteil die Führungsrolle von EU und USA in der WTO stärken.<Fettdruck von mir. H.P.> “ (Perthes et al. 47)

Sicherheit ist im allgemeinen nur im Zusammenhang mit teuren Raketenabewehrsystemen denkbar. Die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft durch Förderung einer friedlichen Wirtschaft und durch eine integrative Gesellschaftskonzeption zu neuem Leben zu erwecken, kommt in den Planspielen der SWP nicht vor. Da gibt es nur das untrennbare Worthülsengespann „freier Markt und Demokratie“. Die VordenkerInnen der SWP sind auffällig unkonkret und phantasielos, wenn es um Szenarien für sozial gerechte und partizipative Gesellschaftsformen geht. Für die SWP scheint es keine Alternative zur Terrorbekämpfung durch kostspielige, hochauflösende Satellitenbeobachtung zu geben. Kostengünstige Modelle der Gemeindeentwicklung und –vernetzung werden nicht einmal angedacht.

Ein Abschnitt ist sogar völlig unironisch: „Europas Wille zur Weltraummacht“ betitelt!

Könnte das damit zusammenhängen, daß im Vorstand der SWP Rüstungsleute sitzen, wie z.B. der jetzige Boeing-Lobbyist Horst Teltschik? Auch auf der Kommandobrücke der SWP treffen wir lauter alte Bekannte wieder. Präsident ist der Aufsichtsratsvorsitzende des Energieriesen e.on, Ulrich Hartmann. Seine Stellvertreter: Thomas de Maiziére aus dem Bundeskanzleramt und Hans-Ulrich Klose. Im Präsidium: Markus Ederer aus dem Auswärtigen Amt, Eckart von Klaeden, Wolfgang Gerhard, Michael Otto; aber auch: die Grüne Kerstin Müller oder Norman Paech für die Linkspartei. Die genannten Politiker sind aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages in diesem Beirat.

3.3 Die Transatlantischen Runden Tische

Wir steigen eine weitere Magmaschicht in die dem Volke unsichtbare Unterwelt hinab.

Hier beginnt die Welt der großen auserwählten Kartell- und Monopolkapitäne. Hier finden wir die Welt der transatlantischen Runden Tische. Die Idee der Runden Tische geht zurück auf den berühmten Round Table des Lord Kitchener und des Lord Milner, der seine große Zeit um die Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg hatte, und der die Politik Großbritanniens unter der Regierung von Lloyd George wesentlich bestimmt hat. Runde Tische sind informelle Treffpunkte, wo die Reichen und Mächtigen sich von fähigen Analysten die weltpolitische Lage erläutern lassen und dann allgemeine Vorgaben entwickeln, die in einem nächsten Schritt von politischen Instanzen wie der Europäischen Union in Gesetzen und Maßnahmen konkretisiert werden.

Da gibt es auf dieser Seite des Atlantiks den European Round Table of Industrialists. Dieser Runde Tisch wurde 1983 gegründet. Ein handverlesener Kreis von Wirtschaftskapitänen aus handverlesenen europäischen Staaten. Ein bunter Strauß von CEOs aus allen wichtigen Wirtschaftszweigen. Zum inneren Kreis gehören 45 Wirtschaftsbosse, die sich zweimal im Jahr mit ausgesuchten Experten treffen und wichtige Fragen erörtern. Deutschland stellt fünf CEOs für den harten Kern: Wulf Bernotat von der e.on; Gerhard Cromme, ThyssenKrupp; Henning Kagermann, SAP; Klaus Kleinfeld, Siemens, und last but not least Manfred Schneider, Bayer.

Stolz verkündet die Webseite, die beteiligten Konzerne repräsentierten einen Gesamtumsatz von 1.5 Billionen Euro pro Jahr.

Das genaue Gegenstück auf amerikanischer Seite ist der Business Roundtable. 1972 aus der Fusion dreier Verbände hervorgegangen, repräsentiert er die Créme der US-Geschäftswelt.

Und da es ein zentrales Anliegen der der beiden transatlantischen Runden Tische ist, den Verschmelzungsprozeß beider Wirtschaftsräume zu beschleunigen und somit unwiderrufliche Tatbestände zu schaffen, hat man noch zwei Einrichtungen gegründet, die in diesem Sinne noch energischer auf die Politiker einwirken sollen.

Der Transatlantic Business Dialogue geht auf eine Idee des ehemaligen US-Finanzministers Ron Brown und der beiden EU-Funktionäre Martin Bangemann und Leon Brittain zurück. 1995 fand das erste Treffen in Sevilla statt, das selbstloserweise von Rank Xerox und Goldman Sachs finanziert wurde. Siebzig „Empfehlungen“ für das Gipfeltreffen zwischen USA und der EU im Dezember 1995 in Madrid arbeitete man aus, die dann auch eins zu eins von den Europa-Politikern umgesetzt wurden – unter dem Begriff „New Transatlantic Agenda“. Der Fluß von Empfehlungen vom TABD zur EU verläuft seitdem reibungslos und vor allem – von der Öffentlichkeit gänzlich unbemerkt.

Den Vorsitz im TABD teilt sich ein Tandem aus USA und Europa. Jürgen Strube von der BASF war schon Vorsitzender. Augenblicklich vertritt Charles Prince, seines Zeichens CEO bei Citigroup, die amerikanische Seite und Martin Broughton von British Airways die europäische Seite als Vorsitzende.

Es gibt einen Executive Board mit 30 handverlesenen CEOs aus verschiedenen Branchen. Man weiß auf der Webseite der TABD damit zu glänzen, daß man eng mit der EU-Administration und den nationalen Regierungen zusammenzuarbeiten weiß.

Doch das reicht noch nicht aus. Zusätzlich gibt es nämlich noch das Transatlantic Policy Network. Das wirkt seit 1992 als Transmissionsriemen zwischen Konzernen und Politik. Wobei man sich erkennbar auf das Europa-Parlament konzentriert. Unter den beteiligten Konzernen befindet sich z.B. Boeing, aber nicht EADS oder Airbus. Deutscherseits sind Siemens, SAP, Bertelsmann, Bayer, BASF und Deutsche Bank dabei.

Im Vorstand des TAN finden wir die deutsche Abgeordnete des Europa-Parlaments Erika Mann von der SPD, die auf ihrer Website auch ganz stolz von ihrer Arbeit in der tollen TAN berichtet. Wenigstens diesen Akt von Glasnost kann man der Dame zugute halten!

Natürlich – so ist man versucht zu sagen – ist auch der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Europa-Parlament Elmar Brok von der CDU im Vorstand. Im Beirat findet sich eine bunte Palette von Abgeordneten des Europa-Parlaments, z.B. der französische Sozialist Michel Rocard. Für Deutschland dabei: u.v.a. der frühere Präsident des EU-Parlaments Klaus Haensch von der SPD, Alexander Graf Lambsdorff für die FDP, Hans-Gert Poettering (CDU), Alexander Radwan (CDU), Vural Öger (SPD) und – das wird manchen überraschen: Jo Leinen (SPD), der ehemalige Umweltaktivist und ex-Umweltminister unter Lafontaine im Saarland.

In diesem Zusammenhang müssen wir auch noch zwei Lieblinge der internationalen Verschwörungstheorie-Szene abhandeln: den Bilderberg-Kreis und die Trilateral Commission.

Man findet im Internet jede Menge Seiten von selbsternannten Weltdeutern, die in diesen beiden Gesprächskreisen die heimliche Weltregierung erblicken wollen. Das ist übertrieben. Die Phantasie wird noch dadurch angeheizt, daß mit Prinz Bernhard der Niederlande ein echter Monarch die Bilderberg-Runde 1954 initiiert hat. Das zieht jene Weltdeuter an, die sich auf Yellow-Press-Niveau befinden.

Andere Deuter des Internets zählen auf, wie viele Juden sich in diesen Gremien befinden, und hegen antisemitische Verschwörungsängste. Auch Ufologen haben sich auf die Bilderberger gestürzt. Und sicher haben auch noch einige Köpfe aus diversen Desinformationsabteilungen der Regierungs- und Konzerngeheimdienste ihren Beitrag geleistet, den Themenkomplex als Ganzen ins Lächerliche zu ziehen.

Tatsächlich treffen sich in beiden Kaffeerunden einmal im Jahr jede Menge Multimilliardäre. Der Kreis der Berater aus Politik, Medien und Wissenschaft macht allerdings eher den Eindruck eines Ehemaligentreffens. Lange Zeit gab der Bilderberg-Kreis überhaupt keine Verlautbarungen an die Öffentlichkeit. Allerdings wurde das öffentliche Gemurmel über diese konspirative Runde so laut, daß die Bilderberger seit einigen Jahren eine allgemein gehaltene Presseerklärung im Vorab veröffentlichen, sowie eine Teilnehmerliste.

Ob diese Liste den tatsächlichen Teilnehmerkreis wiedergibt, wissen wir nicht. Es sind aber eine Reihe unserer bereits aus den vorherigen Gruppen genannten Freunde mit im Boot, so daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Echtheit der Liste spricht. Demzufolge hätte im Jahre 2006 der ehemalige deutsche Innenminister Otto Schily am Bilderberg-Treffen teilgenommen. Zudem der omnipräsente ZEIT-Herausgeber Josef Joffe und sein Ressortleiter Matthias Nass. Welchen Nutzen kann Otto Schily der Elite bieten? Was können Mitarbeiter der ZEIT, deren Leserschaft ein Durchschnittsalter von 80 bis 100 Jahren hat, zur Beeinflussung der deutschen Bevölkerung beitragen? Warum nicht Stefan Aust vom Spiegel? Auch der frühere Berater von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzeczinski, befindet sich im Greisenalter, und Methusalem Kissinger kränkelt schon ganz erheblich. Auch Madeleine Albright ist kein Backfisch mehr. Es ist anzunehmen, daß so manche Initiative mit globaler Tiefenwirkung von diesem Kaffeekränzchen ausgeht. Aber weder ist der Bilderberg-Kreis die heimliche Weltregierung, noch kommt ihm sonst irgend eine Exekutivfunktion zu.

Der Bilderberg-Kreis ist beschränkt auf die Eliten Europas und der USA. Die Japaner wollten aber auch gerne dabei sein. Das wollten die Bilderberger wiederum nicht. Und so richtete David Rockefeller 1974 die Trilateral Commission ein. „Trilateral“ heißt: dreiseitig. Mittlerweile sind neben den europäischen, amerikanischen und japanischen Eliten auch noch Alphatiere aus ASEAN-Staaten dabei. Sogar ein Leistungsträger aus der Volksrepublik China wurde hier bereits gesichtet. Die selben Leute, die bei Bilderberg und vielen der zuvor genannten Gruppen schon auftauchten, machen sich auch noch die Mühe, die kalten Büffets der Trilateral Commission abzugrasen.

Zur Person: Ein Mann, der Marktradikalismus und Transatlantikertum

zu verbinden weiß: Elmar Brok

Die KanzlerInnen kommen und gehen, aber einer bleibt: Elmar Brok. Der 1946 in Verl bei Gütersloh geborene Brok arbeitet seit 1980 als Europaabgeordneter der CDU für den Wahlkreis Ostwestfalen-Lippe. Mittlerweile ist Brok Vorsitzender im Ausschuß für Auswärtige Beziehungen im Europa-Parlament. Weiterhin gehört er dem Vorstand der konservativen Fraktion EVD-ED im Parlament an. Wie wir schon wissen, ist er führendes Mitglied in den „transatlantischen“ Lobbies Atlantikbrücke, Aspen Institute, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Beziehungen und im Transatlantic Policy Network. Zudem gehört er der „Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten“ an.

Brok war auch in jenem Konvent, der unter Vorsitz von Valéry Giscard d’ Estaing den Entwurf für die Verfassung der Europäischen Union ausgearbeitet hat. Auf Broks energisches Betreiben wurde in dem Entwurf unter Artikel II-14 (Recht auf Bildung) die Möglichkeit der Regierungen, Studiengebühren zu erheben, festgeschrieben. Ist das Broks späte Rache, weil er selber zwar kostspielig studiert, aber nie einen Studienabschluß hinbekommen hat? Die Gründe sind handfester: Brok ist nebenbei nämlich noch eingetragener Lobbyist für Bertelsmann als Senior Vice President Media Development in Brüssel. Und wir lernten ja schon, daß Bertelsmanns CHE die Unis durch Studiengebühren langfristig renditefähig für die Börse machen willl ....

Tüchtig, tüchtig, der Mann. Wie findet der noch Zeit, sich um seinen Wahlkreis und die Menschen draußen im Lande zu kümmern?

3.4 Das Zentrum der Macht: Monopole, Kartelle und Risikokapital

Kommen wir zum glühenden Erdkern, dem Zentrum, auf das alle zuvor aufgewiesenen Strahlen hindeuten: den Bereich der Kartelle: Stahl-, Energie-, Medienkartelle. Sowie, mit zunehmender Wucht, den Vertretern der Finanzwelt, und hier wiederum mit tödlicher Durchschlagskraft den Vertretern des Risiko- und Spekulationskapitals – den Herren der Hedge Fonds, flankiert von ihren Schergen, den Consultants oder auch: Unternehmensberatern.

Was sich hier zusammenbraut, vermehrt sich in geometrischer Progression.

Wir wollen kurz die augenblicklich aktivsten Weltveränderer in diesem Sinne benennen. Es handelt sich um äußerst aggressive Konsortien, die im weitesten Sinne mit Investmentfonds handeln. Investmentfonds geben Anteilscheine aus, die durch eine breit gestreute Palette von Wert-Titeln abgedeckt sind, und die durch eben diese breite Streuung das Risiko von gefährlichen Wertverlusten vermindern.

Die Hedge Fonds-Betreiber sind in der Investmentszene die Freistilringer, oder besser noch: die Catcher. Boxen, Ringen, Spucken, unter die Gürtellinie treten – alles ist im Nahkampf erlaubt. Der Unterschied ist nur, daß bei den Hedgern das Publikum durchaus nicht immer vergnügt applaudiert.

Hedge Fonds machen einfach alles zur Investmentfond-Masse: nicht nur Aktien, Rentenpapiere, Optionsscheine; sondern auch: Währungsschwankungen, Kunstobjekte oder – im Augenblick ganz dramatisch – Immobilien. Der Kreis der von Hedge Fonds betroffenen Personen ist naturgemäß erheblich größer als jener Kreis der „alten“ Investmentpapiere. Wenn z.B. wirtschaftlich gesunde Firmen von Hedge Fonds übernommen werden, nur um dann Kapital zu schöpfen, indem man die Firma mit schweren Schulden belastet und dann als ausgelutschte Hülse zurückläßt, dann stehen wieder hunderte geschockter „freigesetzter“ Arbeitnehmer mit Transparenten und Trillerpfeifen auf der Straße – um dann im grauen Meer der Ausgegrenzten und Prekarisierten unterzutauchen.

Der Gesamtumsatz der Hedge Fond-Branche hat schon lange die Billionen-Euro-Grenze überschritten. Zu den prominentesten Hedgern gehören: Blackstone, Apax, KKR, Morgan Chase, Man Group, Cerberus Capital Management, Superfund, TCI, Fortress, Goldman Sachs, Soros, UBS Global Asset oder auch Crédit Agricole. Goldman Sachs ist zwar eine traditionelle Investmentbank, steigt aber auch schon seit geraumer Zeit voll ins Hedge-Geschäft ein. Goldman Sachs ist uns schon bei fast allen Machern hinter den Kulissen als Organisator sowie als Geldgeber aufgefallen, z.B. als Macher des USA-EU-Gipfels 1995.

Und Blackstone-Chef Stephen Schwarzmann stürzt sich mit einer Einkaufsoffensive in der Größenordnung von 16 Milliarden Euro auf Deutschlands Volksvermögen. Schwarzmann stehen alle Regierungsbüros in Deutschland offen. Mit dem Unternehmensberater Roland Berger sowie dem ex-Telekom-Chef Ron Sommer hat er zwei hochrangige Lobbyisten eingekauft. Da verwundert es nicht, daß Schwarzmann mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück befreundet ist, und dieser die ihm unterstellte Kreditanstalt für Wiederaufbau angewiesen hat, seinem Freund Schwarzmann ein Telekom-Anteilspaket im Werte von 2,7 Milliarden Euro zu verkaufen.

Den Deutschen wird augenblicklich buchstäblich der Boden unter den Füßen weggerissen. Zu Hunderttausenden gehen gemeinnützige Wohnungen über den Ladentisch und landen demnächst, so haben es die neuen Besitzer aus den Hedge Fonds schon angedroht, an der Börse. Wasserwerke, Verkehrsbetriebe, Einkaufsgenossenschaften, Sparkassen, Raiffeisenkassen, gesetzliche Kranken- und Rentenkassen: das ganze Vermögen, das Generationen vor uns in mühseliger Kleinarbeit ehrlich zusammengepuckelt haben, wird aufgrund der „Sachzwänge“ der Verschuldung oder einfach aufgrund der „Erkenntnis“, daß die Privatwirtschaft eben alles besser macht, auf dem internationalen Roulettisch der Risikokapitalbörsen verjuxt.

Der Knall wird nicht auf sich warten lassen.

Aber, was weg ist, das ist ein für allemal weg. Das ist wie mit dem Tropischen Regenwald.

Momentaufnahme aus den USA: Hedge Funds und Politik

Einen offenherzigen Einblick, wie knietief die US-amerikanische Politik bereits im Morast der Hedge Fonds drinsteckt, bietet ein Artikel in der New York Times vom 25.1.2007 („Hedge Fund Chiefs, with Cash, Join Political Fray“). Berichtet wird, wie die Demokratin Hillary Clinton und der Republikaner und frühere New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani bereits jetzt aufrüsten für den Präsidentschaftswahlkampf im Jahre 2008. Beide Kandidaten werden hierbei, nach Schätzung der New York Times, bis zum Jahreswechsel jeweils 100 Millionen Dollar Wahlkampfgelder gesammelt haben. Und die Hedge Fond-Manager spielen als Wahlhelfer eine immer größere Rolle, wie Byron R. Wien, Investment-Stratege beim Hedge Fond Pequot Capital verkündet: „Wie Hollywood dereinst die Politik überrannte, so wird das selbe jetzt mit Hedge Funds passieren.“ Die Beträge, die offiziell direkt von den Hedge Fonds an die Politiker fließen, sind eher bescheiden. Gesetze begrenzen den Zufluß von offiziellen Wahlgeldern. Aber man kann Politiker auch im Vorfeld oder nach ihrer politischen Wirksamkeit mit Beraterverträgen oder hemmungslos überhöhten Honoraren für Vorträge belohnen.

Da ist zum Beispiel John Edwards. Der Sproß aus einer altehrwürdigen Ostküstendynastie trat beim Vorwahlkampf der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur im Jahre 2004 als Mann der Linken auf. Bevor er das tat, hatte er erst mal ordentlich Geld verdient. Obwohl er von hause aus nur einfacher Rechtsanwalt ist, arbeitete Edwards 14 Monate als Berater der „Heuschreckenfirma“ Fortress Investment (29.7 Milliarden Dollar Jahresumsatz), um sich sodann gestärkt als Linker in Stellung zu bringen. Dazu New York Times: die Hedge Fonds „... entwickeln persönliche und berufliche Beziehungen mit einer Generation von Politikern, die mindestens so viel Zeit aufwenden, Spendengelder einzusammeln, wie sie aufwenden, um Gesetze auf den Weg zu bringen.”

Und so investiert Paul E. Singer, Mitbegründer von Elliott Association, in sein Rennpferd Rudolph Giuliani. Singer unterstützt militaristische Think Tanks und das neoconservative Manhattan Institute, das dem damaligen New Yorker Bürgermeister Giuliani seine Sozialpolitik auf den Leib geschneidert hat. Singer verabscheut soziale Gestaltung durch den Staat und meint: „Keine Regierung darf dem Einen was wegnehmen und es dem Anderen geben.“

Lisa Perry andererseits ist die Frau des Hedge Fond-Betreibers Richard Perry. Sie sammelt Geld für Hillary Clinton, weil sie eine glühende Feministin ist und es gut findet, daß mal eine Frau Präsidentin werden könnte. Hillarys Tochter Chelsea Clinton hat auch schon einen Beratervertrag bei der Hedge Fond-Firma Avenue Capital.

Übrigens: Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist jetzt Berater der Citigroup ....

3.5 Clearing, Steueroasen und andere Zivilisationskiller

Ich möchte die ganze zerstörerische, sich selbst potenzierende Dynamik ganz kurz skizzieren.

1973 wurde der seit 1944 gültige Vertrag von Bretton Woods aufgekündigt. Der Dollar als Leitwährung war nicht mehr länger durch Goldvorräte in Fort Knox gedeckt. Die bis dato festgezurrten Wechselkurse konnten nun frei „floaten“.

Ein gefundenes Fressen für Währungsspekulanten. Auf dem Humus dieser Deregulierung konnten zwei Clearingstellen gedeihen: CEDEL und EUROCLEAR. Der Grundgedanke des Clearing ist folgender: bei den Clearingbüros werden sämtliche Werte dieser Welt registriert und ihre reale Existenz bescheinigt. Wenn ein Wert den Besitzer wechseln soll, dann läßt sich das ohne großen Aufwand über dieses „Notariat“ in Sekunden erledigen. Ungerührt setzt Clearstream 9 Billionen Euro per annum um. Konkurrent Euroclear bringt 7 Billionen Euro auf die Waagschale.

Bei den Clearingbüros findet nun die revolutionierendeAbstraktionsleistung statt: Um die Geräuschlosigkeit dieser Turbo-Verkäufe noch zu potenzieren, sind alle Komponenten des Kaufaktes durch Zahlenreihen kodiert. Käufer, Verkäufer, Art der Ware, Art des Kaufaktes, Zahlungsmodus etc: alles nur noch Ziffernkolonnen. In den Clearingbüros verschieben Angestellte die ganze Zeit nur Zahlencodes, ohne zu wissen, wer hier wem etwas veräußert: „In Clearingorganisationen haben die meisten Menschen jeden kognitiven Bezug zum Gegenstand ihrer Arbeit verloren“, konstatieren die Insider Backes und Robert. Nur eine Handvoll Leute an der Spitze der Firmenpyramide dürfen die Codes dechiffrieren. Technische und logistische Voraussetzung für diese Turbo-Transaktionen war die Entwicklung der Computer, des Internet und des weltweiten Kontennetzwerkes SWIFT. Denn mit der weltweiten rasanten Vernetzung der Kapaitalströme macht die Einrichtung von Steueroasen erst so richtig Sinn. Natürlich hat es schon seit dem Zweiten Weltkrieg Enklaven wie die Schweiz oder Liechtenstein gegeben, aber die behäbige Verfrachtung von materiellen Werteinheiten war nur etwas für einen kleinen exklusiven Kreis. Jedoch das weltweite Netz der Clearingstellen kombiniert mit den Oasen macht es jedem Neueinsteiger kinderleicht, sein Geld arbeiten zu lassen. Oder es einfach zu verbergen. Oder reinzuwaschen.

Und keiner fragt, wo das Geld herkommt. Bankgeheimnis, Zinshöhe und Steuerfreiheit sind in unterschiedlichen Menues erhältlich: in dem einen Zwergstaat bekommt man hohe Zinsen, aber nur ein eingeschränktes Bankgeheimnis. In einem anderen Liliputstaat bekommt man als Preis für umfassende Diskretion nur einen geringen Zinssatz. Menue eins mundet dem gesellschaftlich etablierten Steuerflüchtling, während Menue zwei eher die Herrschaften mit Sonnenbrillen und Geigenkästen anspricht. Suchen Sie sich aus was Sie brauchen: Liechtenstein, Andorra, Monte Carlo, Cayman-Inseln (wo die Bush-Sippe ihr Vermögen vor dem Fiskus schützt), Bahamas, Luxemburg oder vielleicht Vanuatu?

Innnerhalb sehr kurzer Zeit kann eine Werteinheit Ort und Gestalt so oft wechseln, daß ein Außenstehender den Pfad nicht mehr nachvollziehen kann. Clearing verunklart Kapitalbewegungen mit diabolischer Perfektion. Und es ist jetzt auch völlig gleich, ob das Vermögen auf anständige oder unanständige Weise verdient worden ist. Um es deutlich zu sagen: das Geld, womit sog. „Investorengruppen“ bei uns ganze Städte wegkaufen, ist zum bedeutenden Teil gewaschenes Geld. Ökonomie des Terrors: Erträge aus Menschen- , Drogen- oder Waffenhandel sind ein Teil der Wertschöpfung wie alle anderen käuflichen Dinge auch. Der IWF schätzt, daß im Jahre 2000 für 1.2 Billionen Dollar Erträge aus Waffen-, Drogen- sowie Menschenhandel in die offizielle Wirtschaft hineingewaschen wurden, woraus erkleckliche 76 Milliarden Dollar Zinsertrag ersprossen sind.

Und der Schaden für die Bürger?

Die Steuereinnahmen der großen Staaten würden unaufhaltsam auf Null zustreben, gäbe es nicht die einfachen Arbeiter, Angestellten, Beamten und Mittelständler, die immer noch brav Steuern zahlen. Während 1978 lediglich 5% aller Finanzflüsse dieser Welt eine sozialschädliche Erfrischungskur in Steueroasen nahmen, sind es 2003 bereits 50% aller Finanzflüsse, die der Solidargemeinschaft unserer Staatskassen entzogen werden. Tendenz steigend. Kein Wunder also, wenn die reichsten 500 Einzelpersonen auf diesem Globus genauso viel Finanzmittel zur Verfügung haben wie die ärmere Hälfte der Menschheit, also immerhin drei Milliarden Individuen: und daß seit 1998 die Zahl der Hungernden auf diesem Planeten wieder ansteigt.

Gelegentlich gibt es mutige Bürger, die gegen diese größte Piraterie der Menschheitsgeschichte aufstehen. Zum Beispiel Staatsanwälte und Richter aus europäischen Staaten, die sich 1996 in Genf getroffen haben, und in einer „Genfer Erklärung“, die von den Medien geflissentlich ignoriert wurde, Klartext gesprochen haben. Im Schatten des zivilen, seriösen Europa mit seinen geregelten Rechtsverhältnissen und Verträgen verberge sich ein finsteres Europa der Gangster, Geldwäscher, Steuerflüchtlinge und Käufer von Politikern. Internet-Technik schaffe für diese Übelmänner exterritoriale Räume des schmutzigen Geldkreislaufs, während sich die Richter und Staatsanwälte immer noch mit Ärmelschoner-Technologie und national beschränkten Dienstweg-Irrgärten herumschlagen müßten:

„Gewisse Personen und gewisse politische Parteien haben selber bei diversen Gelegenheiten von diesen Kreisläufen profitiert. Außerdem haben sich die politischen Autoritäten aller betroffenen Länder bis heute als unfähig erwiesen, dieses Schatteneuropa klar und wirkungsvoll anzupacken.“

Das ist der Stoff, aus dem der sagenhafte unversiegbare Reichtum der Hedge Fonds und der ominösen „Investorengruppen“ stammt. Das sind die Kräfte, die unsere Politiker, die Medien, die Wissenschaftler und all die anderen Leistungsträger aufgekauft haben. Das sind die Kräfte, die die öffentliche Meinung mit Zuckerbrot und Peitsche kontrollieren; das sind die Kräfte, die das wissenschaftliche Paradigma scheinbar unwiderruflich auf „Marktradikalismus“ festgezurrt haben.

Meine Damen und Herren, wir sind am glühendsten Erdkernpunkt angelangt. Wir sind am Ziel unserer Reise.

  • Die Nationalstaaten verlieren immer mehr Gestaltungsspielraum. Zivilisiertes, friedliches Leben wird immer mehr zu einer exklusiven Veranstaltung. Noam Chomsky ist der Meinung, daß viele Merkmale des scheiternden Staates (failing state) bereits in den Vereinigten Staaten von Amerika feststellbar sind <4>. Die Zustände beim Hurrikan Katrina scheinen dafür zu sprechen.
  • Immer stärker wird der Trend in der Finanzwelt, nur noch dort wirtschaftlich tätig zu werden, wo die Rendite extrem hoch ist. Gerne wird die Frage gestellt, wie es denn möglich sein kann, daß die Superreichen nie gesättigt sind und immer noch mehr haben wollen?

Ich muß gestehen: ich weiß es auch nicht.

Vielleicht ist es folgendermaßen: die Geschäftstätigkeiten werden von biologisch bedingten Lebewesen der Spezies Homo Sapiens abgewickelt. Der Mensch baut in seiner Geschäftstätigkeit Beziehungen und Geschäftskörperschaften auf, die eine gewisse Analogie zu lebenden Organismen haben.

In der Welt der organischen Lebewesen gilt das Gesetz: was nicht mehr wächst, stirbt ab. Mag das jetzt auch sehr spekulativ sein, so fällt doch auf, daß in den rasch wachsenden Konzernorganismen eine geradezu panische Angst vor der Stagnation herrscht. Manchmal führt das geradezu zur grotesken Fusionitis. Die Bertelsmann AG ist in den letzten Jahren mehrmals an den Rand der Schieflage geraten durch nur noch psychologisch zu erklärende Fehler in der Expansionspolitik.

4. Schlußbetrachtung

„Die Freiheit einer Demokratie ist nicht gesichert, wenn die Bevölkerung das Wachstum privater Macht bis zu dem Punkt duldet, wo die private Macht mächtiger ist als der Staat selber. Das bedeutet in seiner Essenz: Faschismus – die Eigentümerschaft einer Regierung durch eine einzelne Person oder durch eine (mächtige) Gruppe.“ Franklin Delano Roosevelt, 32. Präsident der USA

Da nunmehr kein starker Staat mehr vorhanden ist, der den Kapitalismus vor sich selber retten kann vermittelst wirksamer Kartellgesetze und Monopolaufsicht, besteht die Gefahr, daß der Kapitalismus doch noch in einem totalitären Regime erstickt und sich die offene Gesellschaft nicht mehr leisten mag. Zum anderen läßt der Kapitalismus immer mehr Wirtschaftsbereiche wegen zu geringer Rendite zurück, obwohl eine Nachfrage durchaus besteht.

Verschwindet der Kapitalismus im virtuellen Raum?

Verschwindet er im Bereich der Optionspapiere und Future Bonds?

Eine verrückte Vorstellung, zugegeben.

Meine Absicht ist es keineswegs gewesen, mit den hiermit vollendeten Ausführungen Gefühle von Machtlosigkeit und Ausweglosigkeit zu erzeugen.

Ganz im Gegenteil.

Aber wir können die friedliche Zivilgesellschaft mit ihren Elementen von Aufklärung, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit nur dann erfolgreich verteidigen, unterstützen und weiter aufbauen, wenn wir den Drachen vom Kopf bis zum Schwanz kennen, und nicht nur einige Schuppenpartien.

Wir sind nicht so schwach, wie man uns immer einhämmern will.

Allein der gigantische Aufwand an Geld, gekaufter Wissenschaft, gekauften Medien und korrumpierter Politiker, um uns zu täuschen, einzuschüchtern und systematisch zu verdummen, zeigt doch, welche Großmacht wir sind;

wir, das einfache Volk.

Wie gesagt, die „Investoren“ haben bereits gigantische Wirtschaftsflächen einfach aufgegeben, weil sie nicht mehr genug Rendite einbringen. Der Bedarf ist aber nach wie vor da. Also übernehmen die entlassenen Arbeiter einfach die Fabriken und führen die Produktion fort. Vielerorts mit großem Erfolg. Man besinnt sich gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern auf die guten alten Genossenschaften, mit denen unsere Vorfahren uns bereits eine hohe Lebensqualität erarbeitet hatten. 800 Millionen Menschen arbeiten heute schon in den neuen Genossenschaften.

Man kann hier beileibe nicht mehr von „Nischenökonomie“ sprechen.

Diese verrückten Zeiten bringen jede Menge Tüftler hervor, die an neuen Modellen arbeiten, wie z.B.: Bedingungsloses Grundeinkommen, New Work, Regionalgeld, Tauschbörsen und was nicht noch alles. Ob das gangbare Wege sind, muß die Erprobung in der Praxis zeigen.

Was im Moment allerdings ganz schmerzlich fehlt, sind Einrichtungen, wie sie die Marktradikalen haben:

Netzwerke, in denen die Erfahrungen über die einzelnen Segmente hinweg kommuniziert und verallgemeinert werden. Wo der gemeinsame Nenner für ein neues wissenschaftliches Paradigma gefunden wird. Wo die wesentlichen Grundzüge der neuen Aktivitäten von Medienprofis so aufbereitet werden, daß man sie als praktikable Angebote den „Menschen draußen im Lande“ darbieten kann. Denkfabriken, die die gemeinsamen Ergebnisse in mehrheitsfähige Politik übersetzen können.

Die Fühler ausstrecken nach Bündnissen in unserer Gesellschaft.

Umfragen zeigen immer wieder, daß die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung genau das wünscht: ein politisch-wirtschaftliches System jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. Ein System, das die Vorteile von Sozialismus und Kapitalismus in der neuen Synthese in sich birgt.

- ENDE -

Fußnoten

<1> Eine hervorragende Darstellung und Analyse der CHE hat Wolfgang Lieb geschrieben: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1921

<2> Der deutschen Bevölkerung die enge Anbindung oder gar vollständige Unterordnung unter die Interessen der USA schmackhaft zu machen, wird immer schwieriger. Der BBC World Service ließ durch das Umfrage-Institut GlobeScan und das Politikwissenschaftliche Institut Program on International Policy Attitudes (Pipa) in Maryland/USA eine Umfrage in 25 Ländern mit etwa 26.000 Befragten zwischen dem 3.11.2006 und dem 9.1.2007 durchführen. Dabei ergab sich für Deutschland folgendes Stimmungsbild: 74% der befragten Deutschen beurteilt den weltweiten Einfluß der USA als negativ; lediglich 16% urteilten positiv. 88% der befragten Deutschen lehnen das Vorgehen der USA im Irak ab. 89% verurteilen den Umgang mit Gefangenen in Guantanamo. 64% verurteilen die Art, wie die USA mit dem Konflikt zwischen Hisbollah und Israel umgeht. Das Vorgehen der USA beim Atomprogramm des Iran wird von 64% aller befragten Deutschen mißbilligt. Die Aktionen der USA im Fall Nordkorea wird von 56% abgelehnt. 73% aller befragten Deutschen sind der Auffassung, die USA trüge mit ihrem Vorgehen im Mittleren Osten zur Destabilisierung der dortigen Lage bei.

So ist denn auch zu beobachten, daß die „Transatlantiker“, also die Lobbyisten der USA in Deutschland, wie z.B. Karsten Voigt oder Hans Ulrich Klose sich kritisch bezüglich der Politik der USA geben, um dann in rhetorischen Hakenschlägen die enge Anbindung an die USA doch immer wieder zur unhinterfragten Grundlage zu machen.

<3> Volker Perthes/Stefan Mair (Hg.): Europäische Außen- und Sicherheitspolitik – Aufgaben und Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft. Berlin September 2006.

<4> nachzulesen in: http://www.democracynow.org/article.pl?sid=06/03/31/148254#transcript

Literatur zum Thema

Zur Neoconservativen/Marktradikalen Wende in den USA seit 1964

Micklethwait, John/Wooldridge, Adrian: The Right Nation – Conservative Power in America. New York 2004

Zum marktradikalen Laborexperiment in Chile

Müller, Albrecht: Die Reformlüge. München 2004

http://www.nachdenkseiten.de/?p=1934#more-1934

Zu Marktradikalen Netzwerken ab 1998

Rudolf Speth: Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Hg. Hans Böckler Stiftung August 2004. Runterzuladen unter:

http://209.85.135.104/search?q=cache:quUzRUrrKX4J:www.boeckler.de/pdf/fof_insm_studie_09_2004.pdf+Rudolf+Speth+INSM&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=1

Rudolf Speth: Der Bürgerkonvent – Kampagnenprotest von oben ohne Transparenz und Bürgerbeteiligung. Ohne Datum. Runterzuladen unter:

http://209.85.135.104/search?q=cache:Wn-Oj5uMRoEJ:www.rudolfspeth.de/PDF/Buergerkonvent.pdf+Rudolf+Speth+B%C3%BCrgerkonvent&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=5

Rudolf Speth: Die Zweite Welle der Wirtschaftskampagnen. Von „Du bist Deutschland“ bis zur „Stiftung Marktwirtschaft“. Hg. Hans Böckler Stiftung. Arbeitspapier 127

Zu Bertelsmann

Thomas Barth (Hg.): Bertelsmann: Ein globales Medienimperium macht Politik. Erschienen im Anders-Verlag Hamburg 2006. Vertrieb: Book on Demand. Dieses Buch kann man über Amazon oder jeden Buchladen bestellen. Es wird über Book on Demand vertrieben, weil sich kein Verlag in Deutschland getraut hat, das Buch zu veröffentlichen. Es handelt sich um die Referate auf einer bundesweiten Konferenz in Hamburg zum Thema Bertelsmann im Jahre 2005.

Zu Bertelsmanns Expansionsdrang

Frank Böckelmann/Hersch Fischler: Bertelsmann – Hinter der Fassade des Medienimperiums. Eichborn Frankfurt/Main Oktober 2004.

Lobbyisten schreiben Gesetze

Müller, Albrecht: Machtwahn – Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet. München 2006. Seite 120ff

Zu Atlantikbrücke, Aspen Institute u.a.

http://www.atlantik-bruecke.org/

http://www.aspenberlin.org/

http://www.gmfus.org/template/index.cfm

http://www.cfr.org/

http://www.dgap.org/

http://www.swp-berlin.org/

http://www.ert.be/home.aspx

http://www.businessroundtable.org/

http://www.tabd.com/

http://www.tpnonline.org/

 

Zu Bilderberg, Trilateral Commission

http://de.wikipedia.org/wiki/Bilderberg-Konferenz

http://en.wikipedia.org/wiki/Trilateral_Commission

 

Zu Clearing und Steueroasen

Ernest Backes/Denis Robert: Das Schweigen des Geldes. Die Clearstream-Affäre.

Zürich 2003

Ploppa, Hermann: Verklemmte Enthüllungen. Rezension des Backes/Robert-Buches. In: Marxistische Blätter 4/04 S.108

Zu Geldwäsche

Loretta Napoleoni: Ökonomie des Terrors. München 2004

Zu USA als Failing State

Interview mit Noam Chomsky von Amy Goodman im Sender Democray Now! am 31.3.2006

 

 

www.Gesellschaft-und-Visionen.de

 

 
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