Einigkeit – einfach zu sprechen und so schwer zu machen
Neues vom Erfurter Wiesenhügel
von Klaus Buschendorf
Seit vier Wochen treffen sich Bürger des Erfurter Stadtteils Wiesenhügel im Zentrum ihres Wohngebietes. Sorge treibt sie um. 1000 Wohnungen will die kommunale Wohnungsgesellschaft (KoWo) abreißen, dafür Fördermittel kassieren. Was kümmert die Geschäftsführung, dass die unsanierten Häuser für Hartz IV-Empfänger bezahlbar und deshalb auch fast vollständig belegt sind? Die KoWo will Kohle – was interessieren die Menschen, wenn ein Unternehmen Geld verdienen kann?
Doch diese Menschen wehren sich. Sie gründen einen Bürgerrat, zählen belegte und unbelegte Wohnungen, korrigieren damit die von der KoWo vorgelegten Zahlen und bringen ihre „betriebswirtschaftliche Logik“ zum Einsturz.
Eine zweite Bürgerinitiative gründet sich. Auch sie zählt Wohnungen, belegte und unbelegte. Warum tun die das, fragen die vom Bürgerrat, hätten doch gleich bei uns mitarbeiten können?
Am Montag, den 20.08., trifft man sich wieder. Der Vorsitzende fragt, wo die Mieten bei der KoWo geblieben sind. Er überschlägt die Summe. Damit hätte die KoWo doch etwas tun können! Er informiert über Rechtsmittel der Mieter gegen Vermieter. Eine Frau wirft ein, dass sie am 01.07. einzog. Am 23.07 erhielt sie die Ankündigung, dass sie nicht wohnen bleiben könne. Sie kommt von Gotha, ist behindert, fügt sie hinzu. Sie hat einen Mietvertrag, den beide Seiten einhalten müssen, antwortet der Vorsitzende. Nur mit einer Klage habe die KoWo Chancen, das durchzusetzen. Doch diese sind gering. Und sie schwinden vollends, wenn 1000 Mieter die KoWo zur Klage zwingen. Er spricht noch vieles an, was diese Menschen bewegt. Sie hören aufmerksam zu. In einer halben Stunde sind sie auf runde fünfzig angewachsen. Noch immer bleiben Vorbeikommende stehen, hören zu, es betrifft sie ja. Unmut wächst über die KoWo, Unmut auch über „die Konkurrenz“. Wozu gründen sich welche neu, wo es sie, den Bürgerrat, schon gibt? Wollen sie nicht das Gleiche?
Ein Gedanke wird ausgesprochen, der Vorsitzende greift ihn auf. Gehen wir zur „Konkurrenz“. Es sind nur wenige Schritte. Gesagt, getan. Die „Chefin“ ist nicht zu Hause. Doch während des Wartens kommt sie. Ihr wollt doch nicht alle zu mir? Fragt sie verwundert, doch auch entgegen kommend. Und so verläuft auch das Gespräch. Natürlich muss auch sie sich anhören, etwas Überflüssiges getan zu haben. Man habe doch das gleiche Ziel. Beide Seiten werden versöhnlicher. Und zweimal leere und belegte Wohnungen gezählt, kann doch nicht schaden. Man kann die KoWo „in die Zange nehmen“!
Am Ende steht die Absprache der beiden „Chefs“, gemeinsame Aktionen zu vereinbaren. Man tauscht Vorstellungen aus, was man tun könne. Und wird miteinander reden und handeln.
Es ist nicht einfach, viele Menschen unter einen Hut, zu einem Ziel zu bringen. Unterschiedliche Lebensumstände, mehr oder weniger Wissen, auch Eifersüchteleien von Personen lassen diesen Weg holprig werden. Wir von „Artikel Eins“ wünschen diesen 1000 Mietern, welche die KoWo „betriebswirtschaftlichen Überlegungen“ (besser: Kapitalinteressen!) opfern will, dass sie diesen holprigen Weg erfolgreich meistern – und Sieger bleiben.
Was fordern sie? Ausgliederung der 1000 Wohnungen aus dem Bestand der KoWo und Übergabe in Selbstverwaltung der Mieter! Begleiten wir sie mit unserer Solidarität!
Ergänzend zu diesem Beitrag folgende Mitteilung des Erfurter Bürgerrates:
Am Mittwoch dem 8. August 2007 wurde in diesem Hause
der erste
Bürgerrat
zur Rettung bedrohten Sozialwohnraums
in der Bundesrepublik Deutschland gegründet.
Die Stadt Erfurt hat sich in Tateinheit mit dem Bauamt und der Kowo mbH auf die Fahnen geschrieben, am Unteren Wiesenhügel 982 Wohnungen zu vernichten und am Oberen Wiesenhügel 523 Wohnungen zu „sanieren“, was niemals sozial vernünftig umsetzbar ist und für uns alle eine menschliche Katastrophe bedeuten würde. Der Ernst der Lage hat uns - legitimiert durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland - zum Handeln gezwungen. Wir werden alles in unserer Kraft stehende tun:
1.) Den Abriss von 892 Sozialwohnungen zu verhindern.
2.) Eine sozial verträgliche Gesamtsanierung durchzusetzen.
3.) Unteren und Oberen Wiesenhügel aus dem Bestand der Kowo mbH auszugründen und in Eigenregie gemeinnützig und rein kostendeckend zu verwalten.
Vorsitz: Ulrich Walluhn, Seidelbastweg 41 0361/65 75 75 2; Stellvertreter: Bernhard Petri, Holunderweg 8 0361/42 305 11, Mitglieder: Herr Domnick, Schlehdornweg 8; Herr Lobrandt, Wacholderweg 12; Frau Pohle, Schlehdornweg 6; Frau Schmidt, Wacholderweg 18; Frau Wiederspecher, Seidelbastweg 19.
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