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"Werte-orientierte Dorfentwicklung - Potentiale erkennen und nutzen"

von Martin Meier; 07.01.2007

Unter dem Titel "Werte-orientierte Dorfentwicklung -- Potentiale erkennen und nutzen" fand am Freitag und Samstag die 1. Wilener Impulstagung statt. Im Zentrum standen die Referate des Österreichers Karl Sieghartsleitner.

Hauptreferent Karl Sieghartsleitner stellt sich den Fragen von Moderatorin Isabelle Denzler. Mit der Lancierung des Impulstages hat der Wilener Gemeindeammann Kurt Enderli mit seinen Mitarbeitern offensichtlich ein gutes Gespür bewiesen. Rund 200 Personen -- darunter Vertreter verschiedenster Institutionen, der Wirtschaft sowie zahlreiche Wilener - besuchten die beiden Tagungs-Tage im Kirchen- und Gemeindezentrum, um den Seminarien und Diskussionen zu folgen.

Veränderungen bedürfen auch lokaler Beteiligung Werte-orientierte Entwicklungsstrategien findet man sowohl im lokalen und regionalen, als auch im internationalen Rahmen. Ein erfolgreiches Modell zeigte am Freitagmorgen Hauptreferent Karl Sieghartsleitner, ehemaliger Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Steinbach an der Steyr auf. Der von ihm initiierte "Steinacher Weg" (siehe Kasten) gilt international als ein Musterbeispiel erfolgreicher und nachhaltiger Entwicklungsstrategie, von welcher eine ganze Region profitiert.

Dass solche Entwicklungen aber nur möglich sind, wenn auch international die entsprechenden Strukturen vorhanden sind, zeigte Sieghartsleitner anhand der 1992 in Rio de Janeiro von der UNO ins Leben gerufenen und 2002 in Johannesburg weiterentwickelten "Agenda 21" auf.

Nach Sieghartsleitner kommt gerade der Lokalen Agenda 21 im Zeitalter eines absehbaren Engpasses an Ressourcen, steigenden Energieverbrauches oder grenzenlosem Wachstum von Konzernen eine bedeutende Rolle zu. Mit viel Charme, Humor und ansteckender Motivation bekräftigte er, dass Veränderungen nur möglich sind, wenn man auch auf lokaler Ebene nachhaltig und ganzheitlich, und vor allem durch Einbezug der Bürger, agieren kann.

Globale...

Mit der Auswirkung der globalen Märkte auf die lokalen Entwicklungen beschäftigte sich das Referat von Urs Winkler, Leiter des christlich-humanitären Hilfswerkes World Vision Schweiz. Besonders Schwarzafrika, Lateinamerika und die Karibik gehören heute zu den grossen Verlierern der Globalisierung. Lösungsansätze sieht Winkler in der langfristigen, nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe unter Einbezug der betroffenen einheimischen Bevölkerung.

Ergänzend dazu stellte Karl Sieghartsleitner den "Global Marshall Plan" vor. Durch Globale Partnerschaften und eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft soll dadurch eine weltweite Gerechtigkeit, Friede und nachhaltige Entwicklung für alle geschaffen werden.

... und regionale Aspekte

Während sich die Referate und Diskussionen vom Freitag um die Auswirkungen der Globalisierung auf die einzelnen Regionen drehten, wurde am Samstag in erster Linie der einzelne Bürger angesprochen. Karl Sieghartsleitner beschäftigte sich in seinen Ausführungen damit, was Kirchen und Schulen zu einer Werte-orientierten Dorfentwicklung beitragen können. Die Politische Gemeinde und die Kirche sollen sich dabei ergänzen statt konkurrieren, da beide aufeinander angewiesen sind.

Aufgabe des Schulunterrichtes soll es nach Sieghartsleitner sein, den Kindern eine wertorientierte Lebenswelt statt eine oberflächliche Spass- und Konsumgesellschaft zu vermitteln. Im Zentrum des Vortrages von Hanspeter Schmutz, Leiter der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) standen die in der Tagung immer wieder genannten "Werte". Schmutz zeigte auf, woher heute wichtige Werte kommen, warum diese uns beschäftigen und warum zunehmende Individualisierung und Multikulturelle Gesellschaften heute zu einem persönlichen Werte-Durcheinander führen (welches nach Schmutz allerdings nicht nur Nachteile hat).

Dass regionale Nähe Mehrwert und erhöhte Lebensqualität bringen kann, zeigte Edith Moos-Nüssli, diplomierte Agrar-Ingenieurin ETH, in ihrem Vortrag auf. Denn regionale Wirtschaftskreisläufe sorgen dafür, dass -- wie das Beispiel Steinbach zeigt -- auch die Wertschöpfung in der Region bleibt. Dies bringt wiederum Vorteile im ökologischen und sozialen Bereich.

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Der Steinbacher Weg

Steinbach an der Steyr, ein 2000-Seelen-Dorf in Oberösterreich, bekennt sich seit fast 20 Jahren zur Philosophie einer nachhaltigen Entwicklung. Geboren wurde diese Idee aus der Not heraus. Während Jahrhunderten bestimmten die Messer- und Besteck-Manufaktur sowie der Obstanbau das Leben und machten Steinbach zu einem reichen Ort. Ab den 1960ern begann aber die Krise.

Das Kleinräumige konnte sich zu Weltmarktbedingungen immer schwerer behaupten, die ländlichen Strukturen wurden in Frage gestellt, die Konkurrenz durch billige Messer aus Fernost wurde zu groß. Anfang der 1980er Jahre war Steinach ein sterbendes Dorf. Der Aufbruch zur Erneuerung der Strukturen begann 1987, als man die Krise als Chance erkannte. Eine Gruppe politischer Mandatsträger erkannte, dass nur durch gemeinsames Wollen und Handeln die Gemeinde wieder zum lebenswerten Ort werden kann. Eine neue, konstruktive Politkultur, welche auch die Bürger mit einbezog, wurde eingeführt sowie eine Reihe von Projekten initiiert, welche zusammen zu einer nachhaltigen Gemeindeentwicklung führten.

Durch Nutzung der lokalen Potentiale -- insbesondere der Obstwirtschaft konnten zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen werden. 1994 wurde dem Ort der Europäische Dorferneuerungspreis verliehen.

www.steinbachsteyr.at

 

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