Zusammenhänge neu gesehen...
Gerechtigkeit...?
von Klaus Buschendorf
„Die Natur ist nicht gerecht“, sagte ein Bekannter und erregte Protest. Ich dachte nach und fand: Die Natur ist zufällig. Jedes Lebewesen wird unter anderen Umständen geboren und muss andere Gefahren meistern. Höhere Lebewesen tun sich oft zusammen zu Herden, Rudeln, Meuten. Meist wird dort eines „Chef“, das stärkste oder erfahrenste.
Als „Krone der Schöpfung“ haben wir solche Hierarchien übernommen, leben in Familien, Kommunen und Staaten. Von unseren „Chefs“ erwarten wir, dass sie uns „gerecht“ behandeln. Mit Gesetzen und Richtern hat unser Verständnis von Gerechtigkeit also erst in zweiter Linie zu tun. Das Kind registriert in der Familie genau, wenn ihm der Bruder vorgezogen oder seine Leistung von den Eltern nicht gewürdigt wird. Die Familien sind die stabilsten, wo Geborgenheit gefühlt wird durch „gerechtes“, auch leistungsgerechtes Handeln und Behandeln aller seiner Mitglieder.
Gerechtigkeit in den Gliederungen unserer menschlichen Hierarchien herzustellen, ist also eine bewusste Aufgabe ihrer Mitglieder. Von selbst kann sie nicht entstehen. Unsere heutigen Familien sind klein geworden, Folge: Man kann als Kind schwer lernen, sich in größeren Gruppen „gerecht“ zu bewegen. Die Schule muss es ergänzen. Da haben wir heute ein Problem: Jahrhundertelang wurde die Rolle der „Chefs“ übertrieben – in der Familie, der Schule und der Gesellschaft. Die „Achtundsechziger“ beendeten diese Übertreibung – und fielen in ihr Gegenteil: Die antiautoritäre Erziehung wurde geboren. Und noch immer taumeln unsere Pädagogen zwischen diesen Polen und suchen nach dem rechten Maß dazwischen.
Nur die Pädagogen? Ich finde, unsere ganze Gesellschaft taumelt zwischen diesen beiden Gegensätzen. Da sind Leiharbeiter ihren „Chefs“ so ausgeliefert, dass kaum ein Sklave des alten Roms mit ihnen tauschen würde. Und da gibt es Menschen, die „bedingungslos“ Geld erhalten wollen, allein dafür, dass sie existieren. Den einen Pol gibt es bereits, der andere erscheint den aus der Arbeitswelt Gestoßenen wie eine Verheißung, dann nicht mehr von den Behörden, den „Hierarchien“ gepeinigt und ihrer Menschenwürde beraubt zu werden! Doch der Menschenwürde sind auch die beraubt, die „mobil“ der Arbeit nachfahren müssen, ihren Familien entfremdet werden, ihre Kinder nicht maßvoll „gerecht“ erziehen können – da beißt sich die Katze in den Schwanz!
So kommt man zu dem simplen Schluss: Unsere heutige Gesellschaft ist nicht gerecht. Binsenwahrheit – natürlich. Der Knackpunkt ist der nächste Schluss: Gerechtigkeit wird erst wachsen als Folge des Handelns der nach Gerechtigkeit strebenden Menschen! Da hilft kein Jammern, Wünschen und Abschieben der Aufgabe auf irgendjemand – und seien es die ach so gescholtenen „korrupten Politiker“ oder „gierigen Manager“! Auch diese sind nur Kinder ihrer Umstände. Legen Sie sich selbst die Frage vor, ob Sie in einer Position wie diese nicht genauso handeln würden? Weichen Sie nicht aus, dass es für Sie nicht in Betracht kommt, weil Ihnen die Möglichkeiten fehlen – das ist nur verkappte Feigheit vor der Frage! Diesen Mut muss man aufbringen. Sonst kann man nicht die nächste Frage stellen: Wie sind die Umstände zu gestalten, damit diese Menschen nicht „korrupt“ und „gierig“ werden können?
Verwirrend viel wäre darauf zu antworten. Ich finde, das erste Problem ist eine leistungsgerechte Entlohnung. Es ist ungerecht, wie ein Leiharbeiter behandelt und bezahlt wird. Es ist ungerecht, wie ein „gieriger Manager“ nach einem unbegrenzt hohen Gehalt streben kann. Und es ist ungerecht, wie Menschen aus dem Arbeitsprozess herausgedrängt und schikanös behandelt werden! Das Mittel dagegen heißt für mich: Grenzen setzen! Grenzen setzen für maßlos hohe Gehälter, Grenzen setzen für einen Mindestlohn, und Grenzen setzen für die schikanöse Behandlung der Menschen, die aus dem Arbeitsprozess herausgedrängt wurden. Denn diese drei Gruppen hängen logisch zusammen. Begrenzte Gehälter nach oben und nach unten führen zu mehr Beschäftigung für die, die vom Arbeitsprozess ausgeschlossen sind – Arbeit fair teilen! Das muss nicht Wunschtraum bleiben, wird es richtig angepackt. Denn: Es ist schreiend ungerecht, wenn die Einen vor Arbeit kaum aus den Augen gucken können und die Anderen vor dem Fernseher zwangsfeiern müssen!
Gerechtigkeit ... Viel mehr wäre dazu zu sagen. Dieser Punkt könnte ein Anfang sein. Lesen Sie mehr darüber in unseren Themen.
|