Bürgergeld statt Bürgerkrieg
Erfolgreiche Manager als Sozialreformer
Ines Eck
„Die Wirtschaft befreit die Menschen von der Arbeit.“
Menschen, die keinen Job finden können, müssen in Deutschland wie im Offenen Strafvollzug leben. Sie verlieren das Recht auf Datenschutz und Privatleben, sie verlieren das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung, das Recht auf Ortsabwesenheit. Ihnen wird eine Art Vormund zugewiesen.
Fünf - acht Millionen „Arbeitslose“ sind ein Beweis für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, kein Beweis für die Unfähigkeit. Millionen „Arbeitslose“ sind ein Beweis für die Unfähigkeit von Politikern, Leistungsfähigkeiten der Wirtschaft als soziale Chance zu nutzen.
Fast alle Politiker in Deutschland behaupten: Das wichtigste ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie zählen als Arbeit nur, was mit Lohnsteuer oder Mehrwertsteuer dem Finanzhaushalt der Regierung nutzt. Eine Frau, die fünf Kinder erzieht, gilt als „arbeitslos“, weil sie steuerrechtlich keinen Arbeitslohn erhält. Ein Mann, der für einen Pflegebedürftigen arbeitet, gilt als „arbeitslos“, wenn er kein Geld erhält... Millionen Menschen müssen in Deutschland in einer Art Offenem Strafvollzug leben, obwohl sie im Interesse der Gesellschaft arbeiten.
Einige Politiker nennen Arbeitslose „Sozialschmarotzer“, wenn sie nicht in fremdem Auftrag unbezahlt oder nicht nur für eine Aufwandsentschädigung arbeiten wollen. Arbeitslose wollen aber nicht arbeiten, so lange sie, wenn sie arbeiten, trotzdem im sozialen Status von Arbeitslosen leben müssen. Der Status Arbeitsloszusein gilt in einer propagierten Leistungsgesellschaft als Zeichen von Faul- oder Unfähigsein.
In Deutschland liegen zur Zeit Fähigkeiten und Waren weitgehend brach, weil Geld fehle. Geld wurde aber erfunden, um Fähigkeiten und Waren austauschen zu können, „Es müsste neu erfunden werden.“ Die Gesellschaft ist ein Organismus: Ohne Kranke gäbe es keine Ärzte. Ohne Kriminelle gäbe es keine Strafverfolger. Ohne Künstler gäbe es keine Kunstwissenschaftler... Die Idee eines Grundgehaltes, das honoriert, dass jeder Mensch arbeitet, in dem er lebt, könnte entwicklungshemmende Probleme lösen. Niemand wäre im Status „Sozialschmarotzer“, weil er in Bereichen arbeitet, für die keine Geldmittel einge“plan“t sind.
Der Chef der Drogeriekette DM schloss sich der Grundgehaltsidee mit dem Begriff „Bürgergeld“ an: „Wir haben in Deutschland keine Krise des Arbeitsmarktes, sondern eine Krise der Kultur. Deutschland hat noch nie so viel Wohlstand produziert wie heute. Wir haben nur Schwierigkeiten, den Wohlstand zu verteilen.“
Obwohl es, bedingt durch den technischen Fortschritt, nur noch wenige existenznotwendige Arbeiten gibt, verfügen die Menschen über weniger Zeit, in der sie selbstbestimmt arbeiten und leben können. Die einen werden gezwungen, immer länger und intensiver zu arbeiten, die anderen können keinen Job finden. Die Suche nach bezahlter Arbeit ist eine harte Arbeit geworden.
Ein Unternehmer muss sich fragen: Wie kann ich mit einem möglichst geringen Aufwand an Zeit und Ressourcen möglichst viel für die Kunden tun? Effektivität heißt: Arbeit einsparen.
Andererseits werden eine Vielzahl Unternehmensgründungen verhindert oder Unternehmen gehen zugrunde, weil sie in Aufbau- und Krisenzeiten Mitarbeitern kein Existenzminimum ermöglichen können.
Ein Bürgergeld kann auf Arbeitslohn und Honorare angerechnet werden.
Das Geld für ein Bürgergeld ist in den Arbeitslöhnen, Sozialleistungen und Kosten für Institutionen bereits enthalten.
Kosten für Sozialhilfe und ihre Institutionen würden wegfallen.
Kosten für Arbeitslosenpflichtversicherungen und ihre Institutionen würden wegfallen.
Kosten für die Rentenpflichtversicherung und ihre Institutionen würden wegfallen.
Kosten für die Organisation des Bafögs würden wegfallen.
Das Bürgergeld sichert das kulturelle Existenzminimum ab. Wer für Zeiten von Arbeitslosigkeit und Rente mehr Geld will, kann sich privat versichern.
Der erfolgreiche Unternehmer Götz Werner sagt: „Wir leben in paradiesischen Zuständen. Die Fähigkeit, Dinge zu produzieren, übersteigt den Bedarf, Dinge zu konsumieren. Keine Arbeitsmarktreform kann daran etwas ändern.“
Er fragt: Was ist die Aufgabe der Wirtschaft?
1. Sie soll die Menschen mit Gütern und Dienstleistungen versorgen.
2. Sie muss sie mit ausreichend Geld versorgen, damit sie die Waren und Dienstleistungen bezahlen kann.
Unternehmen bezahlen zur Zeit fast keine Steuern, weil es ausreichend Möglichkeiten gibt, Steuerbelastungen zu umgehen. Steuererhöhungen werden von den Unternehmern durch sinkende Arbeitslöhne oder höhere Preise ausgeglichen. Alle Steuerbelastungen und Zwangsabgaben der Normalbürger entsprechen einer Belastung der Einkommens von ca. 48 Prozent. Alle Steuern und Pflichtabgaben könnten abgeschafft werden – bis auf eine: die Mehrwertsteuer. Das deutsche Steuerrecht ist das komplizierteste der Welt.
Niemand würde mehr „schwarz“, d.h. unangemeldet, arbeiten, weil nur noch der Konsum und nicht die Arbeit besteuert wird. Niemand müsste bespitzelt werden, ob er heimlich arbeitet. Jeder Bürger könnte 1500 Euro an Bürgergeld erhalten. Auch der Reiche. Niemand müsste bespitzelt werden, ob er bedürftig ist.
Wenn eine Konsumsteuer von 48 % angesetzt wird, entspricht das einem Nettogrundgehalt von 780 Euro. Davon können Miete, Essen, Kleider u.s.w. bezahlt werden. Von den 48 % werden u.a. die Gesundheitskosten finanziert. Es gibt eine Vielzahl Ärzte, die nur dem Gewissen verpflichtet und nicht als Geschäftsmänner arbeiten wollen, sie würden eine staatliche Anstellung akzeptieren.
In jedem Produkt stecken Infrastrukturkosten. Die Infrastruktur in Deutschland ist teurer als in Ländern, in denen die Lebenshaltungskosten gering sind. Importe würden über die Konsumsteuer besteuert. Andersherum würden Exporte attraktiv, weil sie von Steuern unbelastet blieben.
Die Behauptung, niemand würde für andere arbeiten, wenn er mit 780 Euro ohne für andere zu arbeiten, leben könnte, ist absurd. Die Menschen arbeiten auch jetzt unbezahlt für einander.
Der Andrang auf gering dotierte „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ bezeugt, die Menschen wollen für andere arbeiten, um wenigstens 160 Euro mehr Geld zur Verfügung zu haben,
1. weil sie soziale Kontakte suchen,
2. weil sie soziale Anerkennung brauchen.
3. weil das Existenzminimum nur Essen, Wohnen, Kleidung, aber angesichts des Konsumangebotes kaum Konsummöglichkeiten absichert.
Die langweiligen, unangenehmen Jobs müssten in diesem System höher entlohnt werden als die interessanten. Das ist machbar.
Götz W. Werner wollte seit seiner Kindheit Drogerist werden, Großvater und Vater waren Drogeristen. 1973 eröffnete er seine erste Drogerie in Karlsruhe, heute umfasst seine DM-Drogeriemarktkette ca. 1500 Filialen, 21 000 Mitarbeiter. Sie hat einen Jahresumsatz von ca.3 Milliarden Euro.
Götz W. Werner leitet das Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe. Er ist verheiratet und Vater von sieben Kindern.
Es ist für soziale Entwicklungen wichtig, dass erfolgreiche Unternehmer Fürsprecher für soziale Reformen sind. Götz W. Werner ist unbesorgt, dass er Mitarbeiter finden wird, wenn ein Grundgehalt für jeden realisiert wird. Er traut sich zu, Arbeitsatmosphären zu schaffen, in denen Menschen für ein geringes Mehreinkommen arbeiten - wollen. Er fordert bereits jetzt, dass Jobbewerber in DM-Drogerien deutlich machen können, dass sie nicht nur wegen des Geldes arbeiten wollen. Arbeitslosengeld2Empfänger müssen wegen des Geldes nach Jobmöglichkeiten suchen, sie haben in DM-Drogerien schlechtere Chancen einen Job zu erhalten als eine vom Ehemann finanzierte Hausfrau, die der Langeweile entgehen und ein selbst verdientes Taschengeld will.
Deutschland könnte ein Modellfall für die Welt werden, sobald Politiker an die Macht kommen, die Verantwortungsgefühl für die Menschen in Deutschland und in aller Welt und - Weitsicht haben. Aber vielleicht realisiert ein anderer Staat die Idee von einer Bürgergesellschaft zuerst und sie kommt von dort nach Deutschland. |